9 auffällige Andersartigkeiten im albanischen Kindergarten

von Rahel Fröse am 13. Oktober 2016

kindergartenDie letzte Woche war ich mit den Kindern im Kindergarten. Hier im Ort gibt es nur einen einzigen mit sieben Gruppen, nach Alter aufgeteilt. So ungefähr 160 Kinder sind angemeldet, allerdings kommen lang nicht immer alle.

Ich hatte mich nun entschieden, Gideon und Livia gemeinsam in eine Gruppe mit den dreijährigen zu geben. Die Kinder in Gideons Alter sind schon sehr viel dabei, zu schreiben und die Zeit im Kiga gleicht schon mehr einem Unterricht in der Schule. Daher hielt ich es für den besseren Weg, beide zu den jüngeren zu tun. Auch ist eines unserer Nachbarmädchen in der Gruppe, mit dem sich unsere Kinder gut verstehen.

Bisher verbracht ich die ganze Zeit gemeinsam mit den Kindern dort. Jemima konnte ich in der Zeit bei unserer lieben Nachbarin von unten lassen.

Was meine Eindrücke und Erlebnisse in dieser Zeit waren, möchte ich nun kurz erzählen. Vorher möchte ich aber noch sehr betonen, dass das, was ich hier schreibe in keinster Weise eine Beurteilung ist. Ich möchte einfach einmal zeigen, wie anders es hier doch ist.

1. Vater und Oma

Da viele Frauen oft nicht rausdürfen, sind es meistens die Väter oder eine Oma, die die Kinder bringen und auch abholen. So ist es auch bei meinen beiden Nachbarinnen. Meine Freundin gegenüber hat vier Kinder, aber sie war selbst noch nie im Kiga gewesen.

2. Telefonieren erlaubt

Gerade letzten Freitag fiel es mir besonders auf: innerhalb von einer halben Stunde telefonierte die Erzieherin bestimmt viermal. Einmal mit der Mutter, dann mit dem Mann usw. Nachdem es zum vierten Mal klingelte und die Kinder entsprechend immer wieder abgelenkt von ihren Stühlen aufstanden und sich die Erzieherin auch schon ärgerte war ich ja nahe dran zu sagen, dass sie doch das Telefon auch einfach mal ausschalten könnte. Aber das geht in dieser sehr beziehungsorientierten Gesellschaft nicht. Die Beziehung geht weit über die Arbeit.

3. Bitte schlagen Sie mein Kind

Dass Kinder hier von ihren Eltern geschlagen werden, das ist mir leider nicht neu. Das ist hier auf jeden Fall “Erziehungsmethode” Nummer eins. Dabei wird oft nicht sehr zimperlich vorgegangen. Auch in der Schule, so höre ich immer wieder, ist schlagen an der Tagesordnung.
So rief nun im Kiga ein Vater an und hielt die Erzieherin an, seine Tochter doch zu schlagen, wenn sie nicht gehorcht. Das sei sie von zuhause so gewöhnt.
Ich war froh dann zu hören, dass die Erzieherin das auf keinen Fall machen wird.

4. Bitte ganz schnell lernen!

Ganz am Anfang klagte mir die Erzieherin ihr Leid. Von seitens der Eltern komme so ein starker Druck, dass die Kinder doch ganz schnell und viel lernen sollen. Am besten schon mit drei Jahren schreiben können etc. Dabei wird auch verglichen, welche Kinder bei welcher Erzieherin besser sind.
Wenn die Kinder abgeholt werden fragen Sie die Kinder immer zuerst, was sie gelernt haben. Auch die Erzieherin erzählt fleißig, was gemacht wurde im “Unterricht”.

Im allgemeinen ist es hier wichtig, Dinge möglichst früh und schnell zu können:
Läuft dein Kind schon? Hat es schon Zähne? Was isst es? Spricht es schon? Etc.
Was das laufen anbelangt, habe ich immer betont, dass meine Kindern noch sehr viel laufen würden und ich froh bin, wenn sie noch nicht so schnell so mobil sind. 🙂

5. Sa turp!

Diesen Ausdruck hört man in einem albanischen Kindergärten sehr oft. Turp heißt eigentlich Schande und man würde vielleicht den Ausdruck “Sa turp” mit “Das macht man nicht” oder “das gehört sich nicht” übersetzen. Dabei wird den Kindern meistens nicht erklärt, warum es so ist. Es gibt einfach einige Dinge, die sind einfach turp.

6. Gedichte

Hier in unserem Land lernen die Kinder schon von klein auf viele Lieder und Gedichte. Wenn sie etwas älter sind, dann tragen Sie diese auch vor großen Menschenmengen vor. Es ist eine Stärke von Ihnen, auswendig zu lernen. Jeden Morgen wird zuerst im stehen die Nationalhymne gesungen. Nach einem kurzem Sportprogramm und Übungen zum zählen (es werden immer alle Kinder gezählt, dann Mädchen und Jungen, dann werden die Wochentage ausgesagt, die Jahreszeiten etc.). Dann setzt sich die Erzieherin hin und nimmt sich immer wieder ein Kind nach vorne, mit dem es Gedichte und Lieder aufsagt. Eines geht ungefähr so:
“Ich liebe Mama und den Papa auch, liebe meine Schwester und die Erzieherin… Doch über alles liebe ich Albanien.”
Mir fiel auf, dass der Bruder gar nicht vorkommt. Das war der Erzieherin gar nicht bewusst gewesen.

7. Vergleichen

Was mir nicht so gut gefällt ist, dass hier sehr viel verglichen wird. Die Frage, welches meiner Kinder ich am liebsten habe, oder dass Kinder gefragt werden, ob sie Mama oder Papa lieber haben, das ist hier sehr normal.
Nun werden auch Gideon und Livia verglichen. Livia fällt es leichter, sich einzufügen und an anderen Orten zu bleiben. Gideon ist da einfach ein ganz anderer Charakter. Aber es wird verglichen, das macht man einfach.

8. Kneifen erlaubt

An was man sich sehr gewöhnen muss, ist das kneifen, küssen und ständige umarmen der Kinder. Damit haben meine Kinder schon ihre Erfahrung. In der Regel mögen sie es nicht besonders, wenn ihnen Fremde einen Kuss geben wollen oder sie in die Backe kneifen, was ich auch sehr gut verstehen kann. Aber das ist einfach die Art, wie den Kindern hier liebe gezeigt wird. Ich habe es mir nun auch schon angewöhnt, kleine Kinder wenigstens ein bisschen anzufassen oder die Wange zu streicheln, weil das hier das Zeichen von Zuneigung und Liebe ist, und das möchte ich den Kindern ja auch zeigen. Insgesamt ist der Umgang hier für unser Verständnis einfach etwas rauer und “handgreiflicher”. 🙂

9. Plötzlich Elternsprecher

Gestern war ich auf der Elternversammlung. Ich fand es sehr interessant, mal an so etwas teilzunehmen, einer von ihnen zu sein, auf der gleichen “Ebene”. Genau wie Sie bin ich dort, weil ich Kinder in der Gruppe habe, nicht weil ich eine deutsche bin und irgendwas bringe. Erst gingen länger darum, ob im Winter auch genug Holz zum heizen bereitsteht (in Deutschland ist das wohl weniger ein Diskussionsgrund). Ich war bemüht, möglichst viel von der teilweise auch hitzigen Debatte mitzubekommen. Plötzlich schwenkte das Thema und es ging um den Elternsprecher. Plötzlich höre ich meinen Namen. Alle stimmen zu und ohne mich auch nur einmal zu fragen, bin ich jetzt eben der Elternsprecher. Was denn da meine Aufgaben sind, das erfragte ich im Nachhinein noch bei der Erzieherin.

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