Im Haus der unbeschreiblichen Trauer

Es ist ein warmer Tag. Ich mache mich mit meiner Kollegin auf den Weg. Es fällt mir nicht leicht, dieser Weg. Eigentlich würde ich ihn lieber nicht gehen. Doch ich weiß, dass Jesus möchte, dass ich ihn gehe.

Wir fahren erst über eine asphaltierte Straße. Da kommt die große Ebene. Dort, wo ich immer die vielen Ziegen meiner Freundin sehe, wie sie weiden. Jetzt denke ich unweigerlich an etwas anderes.

Irgendwann biegen wir von der guten Straße ab und folgen einer holprigen, mit Schlaglöchern gesäumten Straße. Uns kommt ein alter Mann mit einigen Kühen entgegen. Ein Kalb springt hinter her. Ich sehe Familien auf dem Feld arbeiten.

Wir beten gemeinsam. Beten für diesen anstehenden Besuch.

Am Rand der Straße stellen wir unser Auto ab. Dieses Haus, das muss es sein. Es ist warm. Ungewöhnlich warm. Es ist eine Dorfidylle. Und so still. So still. Als wenn die Wärme alle Geräusche aufsaugt. Alles so beschaulich, so friedlich. So wirkt es.

Wenn ich es nicht besser wüsste.

Mein Herz klopft. Langsam öffne ich das Tor. Ein großes Grundstück eröffnet sich uns. Da steht ein Auto und in ihm sitzt ein Mann. Wir begrüßen uns. Ich frage nach, bist du...

Ja, ich bin der Mann von Frieda. Ich sehe ihn an. Mein Herz wird schwer, ihn zu sehen. Voller Mitleid. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen. Doch ich weiß, in welcher Kultur ich hier lebe und lasse es.

Er führt uns in das Haus. Einige Frauen sind da. Alle in schwarz. Alle mit müden Augen, Traurigkeit und tiefer Schmerz liegt in der Luft. Wir treten ein in das Haus der Trauer. In das Haus einer guten Freundin, einer Frau, die wir wertschätzen und lieben.

Es tut mir weh im Herzen, die sonst so fröhliche Frau so sehen zu müssen.

Ich umarme sie, sie nennt meinen Namen. Sie muss nicht viel sagen. Lange stehen wir so da. Ich möchte sie halten. Möchte ihr beistehen. Möchte all meine Gefühle, mein Mitgefühl in diese Geste legen. Ich weine mit ihr. Weine, im Haus der Trauer.

Es war geschehen, kurz bevor ich nach Albanien zurückkam.
Sieben Jungs, alle zwischen 15 und 17 Jahre, in einem Auto.
Dort, bei der Ebene, wo die Ziegen weiden. Dort ist es geschehen.
Das Auto wird von einem Jungen gefahren, der keinen Führerschein hat. Wie so viele hier.
Was genau passiert ist, ich weiß es nicht.
Das Auto fährt schnell, überschlägt sich, bleibt liegen.
Alle steigen leicht verletzt aus. Alle, außer einer.
Er stirbt noch auf der Ebene. Am Unfallort.
Der 15 jährige Sohn unserer Freundin. Tot. Tot.
Zu Ende. So schnell, viel zu früh, viel zu plötzlich.
Warum?

Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm das sein muss.
Mein ganzes Herz, mein ganzes Mitgefühl, es gehört ihr in diesem Moment.
Ich halte ihre Hand in meinem Schoß, meine andere Hand liegt auf ihrem Rücken,
Als ob ich sie stützen möchte. Als ob ich meine Hände benutze, um zu reden,
Zu formen, was meinem Mund so schwer fällt in Worte zu fassen.

Wir setzen uns. Kurze Begrüßung der anderen Frauen.
Wie hohl klingt die übliche Frage nach dem Wohlergehen.
Wie scheue ich mich das Wort "gut" zu sagen. Es scheint mir nicht angebracht.
Nicht hier.

Ich bete innerlich. Ringe nach Worten. Wie beginne ich? Was kann ich sagen?

Ich war schon öfter zu Trauerbesuchen. Aber noch nie bei so einem.
Nie bei einer jungen Mutter, die ihren 15.jährigen Sohn begraben musste.
Er verabschiedete sich an diesem Tag, wie das blühende Leben.
Und am nächsten Tag liegt er begraben in der Erde dieses kleinen Dorfes.
Ein Leben, eine Hoffnung, eine Zukunft - begraben.

Ich rede von den Worten von Menschen und den Worten von Gott.
Worte von Menschen sind leer. Nur Gott spricht Worte, die unser Herz wirklich erreichen in solch einem Moment.
Ich lese Psalm 62.
Worte, die mein eigenes Herz schon so oft in der Tiefe erreicht haben.

Wir sprechen über Gottes Wege. Gottes unfassbare Wege.
Und darüber, dass er dennoch gut ist.
Und dass er Frieden bringen kann und das Herz bewahren kann vor der Bitterkeit und Härte. Er kann! Er kann!

Ich denke an eine Erzieherin an der Schule, an der unsere Freundin Direktorin ist.
Sie ist eine geschlossene, depressive Frau.
Unsere Freundin erzählte uns, dass sie vor langer Zeit ihren Sohn verloren hat.
Nun ist sie selbst in dieser Lage.
Und wie wünsche ich ihr, dass sie nicht eben so wird.
Wie wünsche ich ihr eine Begegnung mit unserem lebendigen Gott!

Immer wieder schweigen wir, halten die Hand fest, weinen.

Dann frage ich, ob wir für sie beten dürfen.
Wir dürfen. Wir hören auf Gott und lassen uns leiten in unserem Gebet.
Wie gut, wie gut, dass da ein Gott ist, der hört!
Ein Gott, der nahe ist. Der alles unter Kontrolle hat.
Und wie schrecklich zugleich, dieses Leid ohne eben diesen Gott erleben zu müssen.

Wir lassen unserer Freundin ein neues Testament da.

Sie ist dankbar. Sie ist berührt.
Und wir beten sehr, dass sie von Gott angerührt wird.
Und dass er sie findet, mitten in ihrem Leid.

Wir gehen dann. Treten aus dem Haus der Trauer in die Sonne.
Es ist so still. So warm. So idyllisch.
Ich bin so voller Hoffnung.
Hoffnung, dass hier an diesem Ort neues Leben geboren wird.
In den Herzen.

Gott segne diese Familie!

Mitleben heißt Mitleiden

Leben ist Kampf! Leben ist Krieg! Leben ist Leiden! - So ist das Leben!

Diese Sätze höre ich oft hier in meinem Umfeld. Und es stimmt. Das Leben hier ist in vielerlei Weisen ein Leiden, ein Kämpfen, ein Überleben. Eigentlich in jeder Familie, in jedem Haus, in das ich gehe, in jedem Menschen hier leben diese Sätze, werden sie durch irgendein Leiden Wirklichkeit.

Diese Leiden sind ganz unterschiedlicher Art. Materielle Not, Krankheit und die schlechte medizinische Versorgung, das korrupte System, in dem hier alles funktioniert (z.B. muss man erst mal eine große Summe Geld zahlen, bevor man überhaupt einen Arbeitsplatz bekommt), Verlust von lieben Menschen usw.

Je länger ich hier lebe, desto mehr wird mir Folgendes bewusst: unser Mit-Leben hier mit den Menschen ist vor allem und im tieferen Sinn ein Mit-Leiden mit ihnen. Mit-leid. Was für ein Wort.

Bin ich dazu bereit? Ich empfinde es als einen großen und schweren Auftrag, da all das Leid auch das Potential hat, einen niederzudrücken, traurig zu machen, zu beklemmen.

Aber ich merke immer mehr: mit den Menschen hier mit-leiden ist ein Schlüssel zu ihren Herzen. Ich bin tief davon überzeugt, dass gerade dieses Mitleid die Menschen öffnen kann für unseren Herrn.

Viele Menschen hier wissen, dass ich in Deutschland krank war und operiert werden musste. Nun bin ich wieder da und es geht mir sehr gut gesundheitlich.

Dennoch bekomme ich immer wieder Besuch von Freunden und Nachbarn, die mir ihren Respekt zeigen, in dem sie mich nach meiner Krankheit besuchen. Wäre ich hier gewesen, hätte ich hier schon während meiner Krankheitszeit viel Besuch bekommen. Es berührt mich, wie sehr die Menschen hier in ihrer Art und Weise ihr Mitleid ausdrücken. Es ist ernst, schon auch eine gewisse Pflicht, aber dennoch scheint all ihr Nachfragen so von Herzen zu kommen. Es beschämt mich, wenn mir gerade ärmere Freunde dann einen Geldschein in die Hand drücken. Auch das ist hier Tradition. Krank zu sein heißt hier auch unweigerlich, dass man Ausgaben hat und diese werden sozusagen von der Gemeinschaft mit getragen.

Ich schäme mich etwas, dieses Geld anzunehmen, aber ich tue es, aus Respekt. Und ich weiß es an anderer Stelle wieder einzusetzen.

Mit-leben heißt vor allem Mit-leiden. Und das nicht nur hier in Albanien.

Ich will dich ermutigen, bereit zu sein, zu leiden. Nicht, weil du vielleicht selbst Leid erlebst, sondern weil du mit denen leidest, die Gott dir anvertraut hat. Freunde, Familie, Arbeitskollegen, Menschen, die dir auch nur einmal begegnen. Höre hin, schaue an, gebe dich hin. Gebe deine Aufmerksamkeit, deine Zeit, dein Mitgefühl.

Lass dich nicht abschrecken von der Not anderer. Manchmal möchte ich am liebsten gar nichts mehr hören. Nein, ich kann es nicht mehr hören, dieses Leid, diese Not, diese Sorgen.

Doch wenn ich das nicht tue, dann versäume ich es als Nachfolgerin Jesu, meinen Auftrag zu erfüllen. Jesus hat uns in eine leidende Welt geschickt. Die Welt wurde aus Liebe gemacht, so schreibt Ann Voskamp, und sie wurde für Liebe gemacht, was bedeutet, dass die Welt verletzlich, zerbrechlich und leidend ist. Zu lieben bedeutet zu leiden.

Erst heute habe ich in Matthäus 25 das Weltgericht gelesen. Da werden Menschen letztendlich darüber gerichtet, ob sie Mitleid mit anderen hatten, oder nicht. Da ist von den Hungernden, von den Durstigen, den Fremden (oder Flüchtlingen), von Nackten und Kranken und von Gefangenen die Rede. Alles Leidende in irgendeiner Art. Und die große Frage am Ende ist: Wie bin ich mit diesen Menschen umgegangen? In all diesen Leidenden begegnet mir und dir Jesus selbst.

"Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mit getan."

Es ist nicht leicht. Aber das sagt auch keiner. Es ist herausfordernd und doch zugleich der Weg zu einem erfüllten Leben, einem reichen, einem tiefen Leben.

"A passionate life is a sacrificial life. A life that wants to embrace Christ is a life that must embrace suffering. A life of giving is ultimately the most life-giving." (Ann Voskamp)

 

 

 

Der Moment, auf den ich lange gewartet habe

Wie lange habe ich auf diesen Moment gewartet? Wie sehr habe ich ihn erfleht und erbetet? Diesen Moment, der meinem Dienst an den Menschen hier einen ewigen Wert verleiht. Diesen Moment, der mir zeigt, dass es sich lohnt, zu warten und dass Gott seine Versprechen wahr macht.

Es war gestern Abend, als ich mit Besmir(Name geändert) in meinem Wagen über eine holprige Straße zu seinem Dorf fuhr. Die Sonne ging gerade majestätisch über den Bergen unserer Has-Region unter. Erst vor ein paar Tagen hatten die ersten Bäume angefangen, sich mit zarten weißen und rosa Blüten zu schmücken. Der aufkommende Frühling legte einen sanften Schimmer von zartem Grün, über eine vorher kahle, graue Berglandschaft.

Besmir konnte nicht warten, bis wir bei ihm zu Hause waren. Er erzählte mir schon auf dem Weg, dass er einen großen Teil des Neuen Testaments gelesen hatte. Vor vier Wochen war ich bei seiner Familie zu Besuch gewesen, um ihnen ein Essenspaket zu bringen. Damals führten wir ein sehr gutes und tiefes Gespräch über den Glauben. Die ganze Familie brachte ihr Interesse zum Ausdruck, mit mir die Bibel zu lesen. Ich betete noch für die Familie und hinterließ ein kleines Neues Testament im Format der Gideon-Bibel.

Es war zum ersten Mal, dass ich einer Familie ein Neues Testament hinterlassen hatte. Ich erwartete nicht, dass dieses Buch in den nächsten Wochen von meinem neu gewonnenen Freund geradezu verschlungen werden würde. Doch gestern, als wir bei ihm zuhause ankamen, zeigte mir Besmir gleich das Neue Testament und die Seite mit der eingeknickten Ecke. Er hatte alle vier Evangelien, die Apostelgeschichte und den Brief an die Römer gelesen.

Und sein abschließendes Statement war: “Danny, ich glaube, dass das die Wahrheit ist. Dieser Mann Jesus ist vertrauenswürdig.”

Endlich wurde das wahr, was ich mir so lange gewünscht hatte.

Ich wollte einen Mann treffen, der einfaches, kindliches Interesse an meinem Glauben zum Ausdruck bringt.
Ich wollte einen Mann treffen, der bereit ist, sich mit Gottes Wort zu beschäftigen.
Ich wollte einen Mann treffen, der bereit ist, mit mir die Bibel zu lesen.
Ich wollte einen Mann treffen, der an Jesus glauben will.

All das habe ich gestern gefunden und sogar noch mehr. Denn die ganze Familie scheint mir offen zu sein. Welch eine Freude!

Was Jesus draus machen wird, das weiß ich nicht, aber ich will ihm vertrauen, dass er dieses begonnene Werk in dem Mann und seiner Familie zur Vollendung bringt.

Ich will beten, dass dieser Mann, der Erste ist, den ich hier zu Jesus führen kann und ich will so sehr hoffen, dass er ein Multiplikator ist, um die Männer in der Stadt zu erreichen. Betest du mit?

Und wieder dieses Leid ...

Davor habe ich mich in der letzten Zeit in Deutschland wohl am meisten gefürchtet: Wieder mit dem vielen Leid hier konfrontiert zu werden.

In Deutschland habe ich es genossen, mit anderen Müttern zusammenzusitzen. Die Kinder um uns herum spielen mit unendlich vielen Spielsachen (so scheint es mir jedenfalls), und die Gesprächsthemen gehen von Faschingsbekleidung für die Kinder hin zu was ziehe ich zur nächsten Hochzeit an usw.

Der Tisch ist voller leckerer Sachen, der Kühlschrank voll, die Heizung macht alle (!) Räume warm, der Strom, fällt, ja man kann schon sagen, niemals aus.

Zurück zu Hause

Jetzt bin ich zurück in meinem Zuhause. Meiner gewählten Heimat. Dem Ort, den Gott für mich ausgewählt hat. Ich bin zurück, mein Herz kommt langsam nach, die Liebe, die ich in Deutschland manchmal gesucht habe für die Menschen hier, sie ist ebenfalls zurück. Und mit ihr mein Mitgefühl, mein Mitleiden, meine Gebete, meine Tränen. Nein, es ist nicht nur das, aber viel von dem. Das Leben hier ist schwer. Die Menschen haben unter der hohen Arbeitslosigkeit sehr zu kämpfen.

Ein Besuch bei der Nachbarin

Nach einer Woche zurück in Krume machte ich heute einen Besuch bei meiner jungen, lieben Nachbarin. Sie hat Kinder im fast gleichen Alter wie unsere und jetzt, da es wärmer wird, spielen die Kinder eigentlich den ganzen Tag zusammen draußen. Es ist so schön zu sehen, wie die vier immer wieder neue Sachen zum spielen finden. Nach deutschen Verhältnissen haben sie eigentlich so gut wie nichts. Keinen Sandkasten, kein Trampolin, kein Spielhaus - eine Schaukel aber und viel Fantasie!

So sitze ich mit der jungen, hübschen Mutter mit unseren beiden Jüngsten auf dem Boden. Ihre Schwiegermutter, die normalerweise mit dabei sitzt, ist diesmal noch draußen am arbeiten. Ella (so nenne ich sie hier) ist eine sehr schmale Frau. Was für ein schönes Gesicht sie hat, dachte ich heute. Sie hat mit 19 Jahren geheiratet und danach zwei Mädchen bekommen, die ihr bis heute viel abverlangen. Vor einem halben Jahr hat sie dann, Gott sei Dank, den erbetenen Jungen bekommen. In unserer Kultur hier immer noch sehr wichtig für eine Familie, da er der spätere Versorger der alternden Eltern wird.

Ihre Kinder zieht sie gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter auf. Der Mann ist kaum zuhause.

Ein Blick hinter die Fassade

Ich habe Ella noch nicht oft mit Tränen gesehen. Heute fielen die Mauern der nach außen hin schönen Fassade. Ich scheute mich nicht sie anzusehen, ihr Elend, ihre innere Not, ihre Ängste anzuhören. Einfach zuzuhören. Sie hat sonst niemand. Sie erzählt von all den kaputten Dingen, Ofen und Herd, weiß nicht, wie sie Brot backen und im Sommer kochen soll. Sie erzählt mir von ihrem Mann, der seit Monaten nicht mehr gearbeitet hat, wie er nach Hause kommt, ihn die Kinder nerven, er wieder geht und erst spät zurück kommt. Wie er nachts auf dem Sofa sitzt, seinen Kopf in die Hände versunken.

Sie erzählt mir von schlaflosen Nächten, Sorgen über Sorgen. Ihre schlechten Zähne, einer nach dem anderen geht kaputt, aber da ist kein Geld, um zum Zahnarzt gehen zu können.

Es tut mir so leid für diese junge hübsche Frau. Ist das ein lebensnotwendiges Gut? Gute Zähne? Gibt es nicht größere Nöte? Ja, die gibt es. Aber ich trauere mit dieser Frau und kann verstehen, dass es für sie eine große Not ist, mit 25 Jahren schon Zähne zu verlieren.

Seit langer Zeit kann sie ihre Familie in der Hauptstadt nicht mehr besuchen. Reisen kostet Geld. Ihr Vater und Bruder sind illegal nach England ausgewandert.

Und vor kurzem gab es einen schlimmen Autounfall mit mehreren Jungs. Ihr Cousin fuhr das Auto, das einem anderen Jungen das Leben kostete. Völlig verstört befindet sich der Fahrer nun im Gefängnis, weit weg. Er ist gerade mal 17 Jahre alt.

Was kann ich tun?

Leid über Leid. Ich sitze da. In meinen Gedanken überlege ich mir, wie ich diesem Leid begegnen kann. Können wir nicht einen neuen Ofen kaufen? Ihr den Zahnarzt bezahlen, ihrem Mann irgendwie Arbeit beschaffen? Und sollten wir mit der Familie nicht einfach mal einen schönen Ausflug in den Kosovo machen, damit sie auf andere Gedanken kommen? All das geht mir durch den Kopf.

Und da bin ich wieder. Mitten drin im Überlebenskampf der Menschen, unserer kostbaren, uns von Gott anvertrauten Menschen.

Die kleine Tochter sieht die Tränen ihrer Mama und fragt: "Warum bist du traurig Mama?" "Mir brennen nur die Augen", sagt die fürsorgliche, beschämte Mama. Dabei brennt ihr Herz.

Wir hören die Kinder draußen fröhlich spielen. Was wissen sie schon. Die Kinder machen keinen Unterschied. Sie sind gleich. Es sind Kinder.

Die Hoffnung in Jesus

Dann erzähle ich den beiden, die Schwiegermutter ist mittlerweile gekommen, von der Hoffnung in Jesus. Als ich damit begann, kam der Strom wieder, der seit früh morgens den ganzen Tag weg war. Licht ging an. Ella meinte: "Du redest von Gott und das Licht geht an." Ich sagte, ja, wirklich, Jesus ist als Licht gekommen. Ich erzähle weiter, sage, dass die Hoffnung in Jesus nicht leere Worte sind, nicht eine einfache Tröstung.

Nein, er ist da, um uns unsere Sorgen abzunehmen. Er sorgt für uns!

Später verabschiede ich mich von Ihnen. Wir reden noch über all die guten Dinge in unserem Leben. Und wie wichtig es ist, auf das Gute zu sehen.

Ich weiß nicht, was in ihren Herzen geschieht. Ich weiß nur, dass mir Ella heute zum ersten man richtig ihr Herz geöffnet hat. Und ich möchte dran bleiben, mit ihr zu beten, für sie zu beten und zu sehen, was Gott tut.

Ja, hier bin ich wieder, mitten in diesem Leid... - mitten in dem, was Gott hier tut!

Du bist für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast

Diesen Artikel hat Rahel schon im März geschrieben, aber er beschreibt gut, was sie bewegt für unsere Nachbarsfamilie so zu sorgen, wie sie es in den letzten Tagen getan hat.

Das Buch vom Kleinen Prinzen begleitet mich schon eine sehr lange Zeit.

Ich erinnere mich an den weltberühmten Satz von Antoine de Saint-Exupéry, wohl der bekannteste aus seinem Buch, den ich als kleines Mädchen in meinem "Freunde Buch" stehen hatte:

"Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Dann hing da dieses wunderschöne kleine Mädchen irgendwo aus Südamerika an unserem Kühlschrank mit eben auch diesem Spruch. Ich las ihn oft, doch verstand ich ihn nur langsam und doch dann immer tiefer.

Doch ich möchte nicht über diesen Satz schreiben. Im Moment geht mir noch eine andere Wahrheit durch den Kopf, die der Fuchs dem kleinen Prinzen anvertraut hat:

"Du bist für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast."

Warum gerade dieser Satz? Ich möchte es euch erzählen:

In meiner Zeit in Deutschland wurde ich des Öfteren gefragt, wann wir denn planen, zurück zu kommen. Diese Frage begleitete mich oft, wie auch das Unverständnis vieler Menschen, mit denen ich zu tun hatte. "Ist Deutschland nicht schön genug?" "Was um alles in der Welt macht man denn in Albanien?" "Ist das nicht sehr schwer da?"

Dann erreichte mich die Nachricht, dass unsere lieben albanischen "Eltern" von unten doch tatsächlich denken, dass wir im Oktober zurück nach Deutschland gehen würden, da dann die vier Jahre unseres Vertrages zu Ende seien. Die Lieben waren sehr traurig und vermissten Jemima und mich sehr. Das berührte mich im Herzen und auch ich bemerkte meine große Liebe zu diesen Menschen.

Aber es ist noch mehr als Liebe. Es ist eben dieses Gefühl, von dem der Fuchs spricht.

Du hast dir etwas vertraut gemacht.
Es ist dir lieb geworden und du bist jemand anderem lieb geworden.
Du hast investiert und geliebt.
Gelacht und gelitten.
Leben geteilt.
Sorgen und Freude gemeinsam erlebt.

Du warst da, wenn sie dich brauchten und sie waren da, als du sie brauchtest. Du hast mit ihnen getrauert.

Geweint.
Gebetet und gewacht.
Sie sind deine Familie geworden.
Nicht aus Blut. Aus Liebe.

Ich fühle mich im tiefsten Herzen verantwortlich. Dabei rede ich nicht nur von dem älteren Ehepaar unter uns. Gott hat uns Menschen anvertraut, hier an diesem Ort. Und für diese bin ich verantwortlich. Das meine ich nicht in einer technischen Art. Es setzt mich nicht unter Druck.

Aber es gibt meinem Leben hier Bestimmung. Schönheit. Tiefe. Freude.

Es gibt meinem Leben hier einen Sinn.

Vielleicht sind es nicht die bedeutenden Menschen, nicht die, die vor den Augen der Welt etwas gelten, oder auch nur in den Augen der Menschen hier.

Einfache Leute, Hausfrauen, Kinder, Alte.

Doch sie sind mir anvertraut. Von Gott anvertraut.

Ich bin die Person, die diesen Menschen die frohe Botschaft bringen darf. Ein Vorrecht!

Dieses Gefühl der Verantwortung spüre ich, weil ich diese Menschen liebe.

Und Liebe, ja, Liebe bringt Schmerzen mit sich. Sie ist ein Risiko. Sie macht verletzlich.

Als ich so daran dachte, wie es mal werden wird, von hier zu gehen (und der Tag wird sicher kommen), dann tut es mir schon jetzt weh.

Je mehr du liebst, je größer deine Liebe, desto mehr Schmerzen wirst du erleben.

Aber ich will mich nicht davor scheuen. Ich will weiterhin meine Liebe ausschütten, will weiter sehen, welche Menschen Gott mir anvertraut.

"To love at all is to be vulnerable. Love anything, and you heart will certainly be wrung and possibly be broken." (C.S. Lewis)

Wenn schwere Sterne fallen - Ein weiteres Gedicht

Nach der ersten Woche in Deutschland folgten die Regentage. Schwere Tage. Frust und Enttäuschung kamen in mir hoch. Ich verstand Gott nicht. Verstand nicht, warum er mir nicht etwas Ruhe gönnt. Warum nicht einfach mal etwas nach Plan gehen kann. Warum immer alles anders kommen muss. Liebt er mich nicht? Weiß er denn nicht, was ich brauche?

Innerlich focht ich einen Kampf aus. Die Lügen in meinen Ohren, geflüstert von dem Feind, der von Anfang an die Lüge in den Kopf der Menschen setzte:

Gott liebt dich nicht! Er hält dir Gutes vor. Warum sonst passiert dir das, was dir gerade passiert?

Ich war stark angefochten. In mir tobte ein Kampf. Auf welche Stimme höre ich? Wem schenke ich Glauben, wohin mit meinem Vertrauen?

An dem Tag vor meiner OP schrieb ich den zweiten Teil meines Gedichts zum Sterntaler. Den ersten Teil findest du hier.
Lest selbst, wer den Kampf gewonnen hat:

Sterntalerchen II

Ich bin wie das kleine Sterntalerchen
Meinen Blick nach oben gewandt
Da verwandeln sich die Sterne
Kommen näher
Wie tausend kleine Gaben
Geschenke tanzen auf mich herab

Das schrieb ich vor zwei Wochen
Der blaue Himmel
Die strahlende Sonne
Sie sind nicht mehr da
Nicht mehr sichtbar
Da sind nur Wolken, viele Wolken
Wind und Regen
Meine Schritte schwer
Über Steine und Matsch

Ich denke an dieses Bild
Dieses kleine unschuldige Sterntalerchen
Sehne mich etwas zurück
In diesen Augenblick der Leichtigkeit
Und des Glücks

Gaben kommen da
Ich wünsche sie mir
Wünsche mir alles Gute
Wünsche mir jetzt nur Licht
Güte, Freundlichkeit, alles,
Was meinem menschlichen Auge angenehm erscheint

Doch die letzten Wochen haben mich anderes gelehrt
Die höhere Kunst ist
Die unbequemen Gaben
Erstmal Anzunehmen
Zu verwandeln dann
Ungeplantes, Krankheit,
Enttäuschung, Unruhe,
Verschiebung

Oh, es gefällt mir nicht
Nicht das, das will ich nicht auffangen
Ich will nur das Gute empfangen
Dafür halte ich meine Hände doch auf

Doch offene Hände sind empfänglich
Sind verletzlich
Sind passiv
Sie werden gefüllt
Gott füllt sie mit dem
Was ich brauche
Was ich brauche,
Was weiß ich das
Es weiß Er allein

Hiob sagt
Das Gute nehmen wir von Gott an
Da sollten wir das Böse nicht auch annehmen?

Wohin geht mein Blick?
Lass ich ihn ablenken?
Weg vom Geber?
Hin zu den Gaben?
Den Guten wie den Bösen?

Lass ich mich einnebeln von Dunkelheit?
Höre ich auf das Flüstern des Feindes:
Liebt dich Gott wirklich?
Schaue ich traurig, verzagt, müde, wütend, frustriert
Zu Boden?
Die Gaben fallen schwer auf mich
Fallen zu Boden
Zerplatzen wie Blasen
Oder zersplittern in tausend Teile

Nein
Ich nehme auch diese Gaben an
Gaben von einem freundlichen Gott
Der mich liebt
Gaben, die viel größeres Potential haben
Mich wirklich reich zu machen

Es sind nicht die Gaben
Die reich machen
Es ist der Dank dafür
Die Annahme in Frieden
Unter Tränen oft
Dank verwandelt alles

Auch das Schwere will ich annehmen
Kleines Sterntalerchen
Öffne alles und empfange
Blicke stets nach oben.

Ich halte meine Hände weit auf - Ein Gedicht von Rahel

In meiner Zeit in Deutschland genoss ich vor allem auch die Spaziergänge in der Natur. Gerade in den ersten Tagen, die noch recht unbeschwert waren, die Sonne fröhlich schien und die ersten Frühlingsgefühle in mir weckte, da spürte ich ganz deutlich Gottes reichen Segen auf mir. In diesen ersten Tagen entstand folgendes "Gedicht".

Ich vermute, dass die meisten das kurze Märchen "Die Sterntaler" von den Brüder Grimm kennen. Wenn nicht, dann lohnt es sich, es einmal zu lesen. Es war für mich ein gutes Bild für das, was ich empfand.

Sterntalerchen I

Ich laufe
Die Felder und Wiesen vor mir
Ich Teil von ihnen
Atme
Die Luft der Freiheit

Ich breite meine Hände aus
Die Handflächen wie zwei Schalen
Leer, im Öffnen leicht
Immer größer wird der Raum

Empfangen, Empfangende sein
Nicht leisten
Nicht müssen
Nicht erfüllen
Füllen lassen

Still stehen, empfangen
Mich ausstrecken nach den Sternen
Alles aufhalten
Meine leeren Hände
Mein müdes Herz
Meine unruhigen Gedanken

Alles hinhalten. Still halten.
Empfangen
Einfach nur empfangen
Wärme, Licht, Freiheit, Weite, festen Grund
Hören auf das fließende Wasser
Die singenden Vögel
Auf die Stille

Hören auf Gottes liebende Worte
An mein Herz
Alles, alles ist Gnade
Jeder Augenblick

Ich habe nichts zu bringen
Zu leisten, vorzuweisen
Ich empfange, empfange einfach
Will nur das

Ich bin das kleine Sterntalerchen
Meinen Blick nach oben gewandt
Da verwandeln sich die Sterne
Kommen näher
Wie tausend kleine Gaben
Geschenke tanzen auf mich herab

Ich halte meine Hände weit auf
Gottes Güte und Freundlichkeit
kommen auf mich herab
Tausend Geschenke
Tausend Liebesbeweise

Ich gebe Gott Dank
Durch meinen Dank verwandeln sich
All die tausend Geschenke
In Reichtum

So kann auch ich reich sein
Mein Lebtag lang

Gaben, die mit Dank empfangen werden
Werden zu Gold
Ein Schatz im Herzen
Ein Platz im Himmel

Predigt: Die Ausrichtung nach oben - Kolosser 3,1-4

Als ich heute morgen in meiner Bibellese zu Kolosser 3 kam erinnerte ich mich daran, dass ich im Jahr 2012 über den Abschnitt aus Kolosser 3,1-4 gepredigt hatte. So suchte ich mir diese mp3-Predigt raus und nahm mir die Zeit sie noch einmal anzuhören.

Ich war gespannt, was mich wohl erwarten würde. Aber die Botschaft, die der Heilige Geist damals durch mich zu den Hörern gesprochen hat, hat auch mich heute morgen neu herausgefordert.

In Kolosser 3,1-4 schreibt Paulus über die Wichtigkeit einer völlig neuen Denkrichtung, die unser Leben ausmachen soll. "Trachtet nach dem was droben ist" wie es so schön in der Lutherübersetzung heißt.

In der Predigt gehe ich Vers für Vers durch die einzelnen Aussagen und erkläre, was sie bedeuten.

Vielleicht hast du Interesse dir diese Predigt mal anzuhören. Sei gesegnet.

Hier füge ich dir den Predigttext aus den NGÜ noch einmal ein.

Da ihr nun also zusammen mit Christus auferweckt worden seid, sollt ihr euch ganz auf die himmlische Welt ausrichten, in der Christus ´auf dem Ehrenplatz` an Gottes rechter Seite sitzt. Richtet eure Gedanken auf das, was im Himmel ist, nicht auf das, was zur irdischen Welt gehört. Denn ihr seid ´dieser Welt gegenüber` gestorben, und euer neues Leben ist ein Leben mit Christus in der Gegenwart Gottes. Jetzt ist dieses Leben den Blicken der Menschen verborgen; doch wenn Christus, euer Leben, in seiner Herrlichkeit erscheint, wird sichtbar werden, dass ihr an seiner Herrlichkeit teilhabt.

Gedanken zu 5 Jahren Leben mit einer MS-Diagnose

An diesem Wochenende vor fünf Jahren erhielt ich die Diagnose MS. Für viele Betroffene bedeutet solch eine Diagnose den Sturz ins Bodenlose. Wir dagegen haben in unserem Glauben Halt gefunden und sind in die Arme eines liebenden Gottes gefallen.

Doch wie es dazu kam und was die Diagnose und die letzten fünf Jahre mit mir gemacht haben, will ich in diesem Artikel kurz ausführen.

Die Vorgeschichte

Natürlich bin ich nicht erst seit fünf Jahren an MS erkrankt. Seit fünf Jahren lebe ich mit dem Befund und der Realität von regelmäßigen Arztbesuchen und dem täglichen Einnehmen von Medikamenten. Aber ich glaube, dass mich die MS seit dem Jahr 1999 begleitet. Damals hatte ich meinen ersten Schub. Mein ganzer Körper war taub. Ich war für einige Tage in der neurologischen Station der Uniklinik. Doch die Ärzte haben nichts festgestellt. Die Taubheitsgefühle verschwanden wieder. Das nächste Mal trat im Jahr 2003 eine neurologische Fehlreaktion auf. Ich war erst kurz vorher zum Glauben gekommen, da machte sich ein komisches Kribbeln im Bereich meines linken Schlüsselbeins bemerkbar. Dieses Kribbeln war am Anfang unerträglich. Wieder konnten die Ärzte nichts feststellen. Bis heute bin ich empfindlich an der Stelle. Deswegen fällt es mir schwer, mich im Auto anzuschnallen, weil der Gurt genau an der Stelle entlangläuft.

Danach hatte ich viele Jahre Ruhe. Andere Geschichten, wie zwei Kreuzbandrisse, machten mir zu schaffen. Doch im Mai 2011 fühlte ich mich an einem Sonntag schwach auf den Beinen. Diese Schwachheit hielt nur kurz an. Aber der Schreck war zu groß. Ab dem Moment war mir klar: Ich habe auch MS. Andere Symptome wie eine Blasenschwäche, eine Beinhebeschwäche sowie eine erhöhte Müdigkeit waren für mich Anlass genug, mir sicher zu sein.

Wenn ich Leuten davon erzählte, dann versuchten alle, mir dies auszureden, aber ich war mir sicher. Doch ich lebte mein Leben weiter und ging nicht zum Arzt. Erst neun Monate später brachte ich es fertig, einen Termin beim Neurologen zu machen. Diesen besuchte ich Anfang Februar 2012. Als ich ihm die Symptome schilderte, nickte er nur mit dem Kopf. Doch die übliche Prozedur verlangte, dass ein MRT von Kopf und Hals gemacht werden muss. Die erste Untersuchung beim Radiologen, der den Hals untersuchte, war sehr ernüchternd. Er fand einen Entzündungsherd, wobei er uns riet, die Sache doch nicht so schwer zu nehmen. Er sagte, „Es leben so viele Leute mit MS, ohne es zu wissen. Auch Sie werden schon damit zurechtkommen.“ Einfühlsam war das nicht gerade.

Die Diagnose

Entscheidend war für mich dann der Besuch beim Radiologen an einem Freitag. Wir hatten vor, von Freiburg aus in die Heimat, ins Rheinland zu fahren. Unser Sohn Gideon war gerade fünf Monate alt. Und so nahmen wir diesen Termin wahr, während wir auf der Heimreise waren. Nach der üblichen Prozedur einer MRT-Untersuchung rief der Radiologe uns in sein Sprechzimmer. Auf zwei großen Bildschirmen hatte er die Schichtaufnahmen meines Gehirns abgebildet. Er zögerte, es war ihm sichtlich unwohl, sehr gerne hätte er diesen Moment vermieden, aber er musste die Sache beim Namen nennen. Er sagte: „Es tut mir leid, aber die weißen Flecken in Ihrem Gehirn deuten eindeutig auf MS hin.“

Und so war das, was ich schon lange wusste, nun offiziell vom Radiologen bestätigt. Als ich das Sprechzimmer verließ, tat ich das, was mich vorher immer an Hiob beindruckt hatte. Ich hob meine Hände und betete an. Ich wusste, ich bin in Gottes Hand, und seiner souveränen Kontrolle entgleitet nichts. Ja, es tat weh, diese Diagnose zu bekommen. Und sie hat uns auch zutiefst erschüttert. Aber an unserem Glauben an einen souveränen und liebenden Gott hat diese Diagnose nichts geändert. Die vier Stunden lange Heimreise war schmerzhaft. Doch die Predigten von John Piper zum Thema: „Treasuring Christ and the Call to Suffer“ haben mir sehr viel Halt gegeben während dieser Fahrt.

Das Leben mit MS

Die Zeit ist schnell vergangen seit der Diagnose vor fünf Jahren. Statt einem Kind haben wir nun drei Kinder. Statt in Deutschland leben wir nun in Albanien. Und es ließen sich noch viele andere Dinge aufzählen. Aber jetzt will ich kurz beschreiben, wie es mir gesundheitlich die letzten fünf Jahre ergangen ist.

Der Verlauf

Ich will vor allem dankbar sein, dass es mir heute so geht, wie es mir geht. Es könnte auch anders sein. Mein Onkel, der auch an MS erkrankt war, saß innerhalb von fünf Jahren im Rollstuhl. Sein Verlauf war aggressiv und so ist es bei vielen anderen auch. Ich will die nicht beneiden, die einen milden Verlauf haben, sondern ich will dankbar sein, dass ich das Vorrecht genießen darf, im Missionsdienst zu stehen und den Menschen hier Jesus zu bringen.

Ich bin dankbar, dass ich hier in meinen Gaben leben darf und so manches praktische Projekt auf die Beine stellen konnte. Ich bin dankbar für weitere zwei Kinder, für die wir uns entschieden haben. Es sind die süßesten Töchter, die es gibt. Ich bin dankbar für alle Kraft, die ich heute habe. Freunde fragen immer wieder, ob ich auch irgendwelche Schübe habe, aber von Schüben kann ich nicht viel erzählen. Ich weiß nicht, wo die Schübe sind. Was ich weiß: Es geht sehr schleichend bergab, wie das nun mal so ist.

Aktuelle Symptome

Es sind nicht viele Dinge, mit denen ich zu tun habe. Da ist eine Blasenschwäche, die sehr gut mit Medikamenten eingestellt ist. Da ist eine erhöhte Muskelspannung in den Beinen, die unangenehm ist, aber mit der ich gut leben kann, und da ist dann diese Müdigkeit, die die Lebensqualität einschränkt.

Ich tue meinen Dienst hier mit aller Kraft, die ich habe, aber manchmal bin ich müde, und besonders am Abend wird dann im Kopf alles ein wenig schwammig. Aber jeder neue Tag ist eine neue Gelegenheit, das Beste draus zu machen. Leider gibt es keine effektiven Medikamente gegen die Müdigkeit. Die Frühlings- und Sommerzeit bringen jedoch immer wieder ziemliche Erleichterung.

Gebet um Heilung

Für mich wurde schon unzählige Male gebetet. Doch bis zum heutigen Tag bin ich nicht geheilt. Ich glaube fest daran, dass Gott mich heilen kann. Aber aus Gründen, die nur er in seiner Weisheit kennt, hat er sich noch nicht entschieden, mich zu heilen.

Natürlich begegne ich auch immer wieder Menschen, die es gut mit mir meinen und die für sich erkannt haben, dass Jesus am Kreuz körperliche Heilung für uns erworben hat. Sprich: Gott will immer heilen. In diesem Glauben erwarten die Beter dann tatsächlich eine spontane Heilung. Wenn ich dann nach dem Gebet gefragt werde, wie ich mich fühle und ob es schon besser geht, fühle ich mich immer irgendwie ein wenig unwohl, weil ich genau dies nicht bezeugen kann.

Ich wünsche mir so sehr, geheilt zu werden. Aber vielleicht muss ich damit leben, nicht geheilt zu werden, so wie viele andere Menschen, die an unheilbaren Krankheiten leiden und schon gestorben sind.

Eines weiß ich: Es kommt der Tag, da werde ich geheilt. Es wird der Moment sein, an dem ich vor Jesus stehe. In dem Moment wird er mir alle Tränen abwischen, jede Schwachheit und jeder Schmerz wird dann von mir genommen sein. Ich werde meinen Onkel sehen, der schon 2001 an MS verstorben ist. Und wir werden zusammen unseren Retter anbeten. Er hat uns nicht bewahrt vor körperlichem Leid, aber er war da, in jedem Moment unseres Wegs ist er mitgegangen. Und hat uns geführt bis ans Ziel.

Mein Wunsch

Ich will in meiner MS-Erkrankung nur eines. Jesus Christus soll dadurch verherrlicht werden. Ob er mich heilt oder nicht. Ich will, dass er in meinem Leid groß rauskommt.

Deswegen habe ich offen über meine Erkrankung geredet und sie auch in vielen meiner Predigten genannt. Nur wenn die Menschen wissen, dass ich krank bin, können sie auch sehen, wie ich Christus dadurch groß mache. Unsere Ausreise mit dieser Diagnose sollte ein Zeugnis sein und unser weiteres Leben als Familie soll ein Zeugnis sein für die Gnade Gottes, mit der er uns durchträgt.

Auch hier vor Ort bemühe ich mich, den Leuten von meiner Erkrankung zu erzählen. Natürlich nur dort, wo der Anlass sich bietet. Ich will den Menschen zeigen, dass meine Liebe zu Christus und meine Liebe zu den Menschen so groß ist, dass ich mich trotz dieser Erkrankung auf den Weg gemacht habe, um hier in Albanien mit ihnen zu leben. Und ich will ihnen zeigen, wie groß mein Gott ist, dem ich mein Leben und meinen weiteren Weg anvertraue.

________________________________________________

Ich danke dir, dass du den Artikel bis zum Ende gelesen hast. Danke dir für deine Anteilnahme und Gebete.

Die Lieblichkeit von Christus - Zitate von Samuel Rutherford

In diesem Artikel habe ich Zitate von Samuel Rutherford zusammengefasst. Der Name wird dir wahrscheinlich kein Begriff sein. Der Mann starb im Jahr 1661. Die Zitate entstammen Briefen, die Rutherford geschrieben hat. Seine Gedanken über Christus gehen viel tiefer als alles was man heutzutage lesen kann. Es geht nur um ein Thema: Die Lieblichkeit und Schönheit Jesu, die vor allem im Leid erfahren wird. Ich habe alle Zitate aus dem englischen übersetzt.

"Es gibt keine süßere Gemeinschaft mit Christus, als dann wenn wir ihm unsere Wunden und Verletzungen bringen." S.3

"Ich habe wenig, so wenig von ihm; und ich verlange nach so viel mehr." S.11

"Ich weiß, könnten wir sagen, dass Christus in seiner Liebe am freundlichsten ist, wenn wir am schwächsten sind." S.12

"Jeden Tag können wir neue Dinge in Christus sehen. Seine Liebe hat weder Rand noch Boden." S.13

"Gesegnet wären wir, wenn wir uns zu Schatzmeistern, dieses unschätzbaren Schatzes, der Liebe Christi, machen könnten; oder eher uns dahin bringen könnten, von der Liebe Christi beherrscht und ihr unterworfen zu sein, so dass Christus alles in allem wäre, und alle anderen Dinge nur noch wie Nichtigkeiten und Abfall erscheinen. O, lasst uns bereit sein gegen die Zeit zu schwimmen, wenn der Wind und die Flut des Herrn uns rufen." S.14

"Ich bitte euch eindringlich … strebt nach einer innigeren Gemeinschaft mit Christus und einer wachsender Gemeinschaft. In Christus gibt es Dinge zu entdecken, die wir niemals sahen, seine Liebe …. Ich zweifele daran, ob ich jemals an das Ende dieser Liebe erlangen kann … grabt daher tief und schwitzt und arbeitet und nehmt Mühen auf euch für ihn und nehmt euch so viel Zeit für ihn wie ihr könnt. Wir gewinnen ihn durch unser Bemühen." S.16

"Diese Welt verdient nichts anderes, als die äussersten Bereiche unsere Seele." S.20

"Ich denke ich sehe mehr von Christus, als ich jemals sah und doch sehe ich so wenig von dem, was zu sehen wäre." S.20

"Ob Gott zu seinen Kinder mit einer Rute oder mit einer Krone kommt, wenn er selbst damit kommt, dann ist es gut. Begrüße Jesus, heiße ihn herzlich willkommen, was auch immer kommen mag. Wenn wir nur einen Blick auf ihn werfen können. Und ich bin mir sicher, es ist besser krank zu sein, wenn dann Christus an unser Bett tritt, die Vorhänge zur Seite zieht und sagt: “Mutig voran, ich bin deine Erlösung”, als Gesundheit zu genießen, stark und voller Gelüste zu sein und niemals das Bedürfnis zu haben, von Gott besucht zu werden." S.21

"Ich flehe dich an in dem Herrn Jesus, mache jeden Tag mehr und mehr aus Christus, und bemüh dich um Wachstum in der Gnade Gottes und um Bodengewinne im täglichen Kampf gegen die Sünde, denn Reisende kommen entweder Tag für Tag voran, und sind ihrem zuhause näher, oder ihnen fehlt die richtige Ausrichtung, während ihrer Reise." S.29

"Wenn Zufriedenheit auf Erden zu finden wäre, dann wäre der Himmel nicht der Himmel." S.32

"Lass Christus in dir herrschen und überlass ihm den Königs-Thron in deinem Herzen." S.35

"Ich habe erlebt wie seine süße Gegenwart alle Bitterkeit von Sorgen und Leiden auffrisst." S.35

"Von der Liebe Christi zu leben, ist ein wahrhaft königliches Leben." S.35

"Schaut auf zu ihm und liebt ihn! O, liebt und lebt." S.47

"Wenn es zehn tausende, tausend Millionen von Welten gäbe, und ebenso viele Himmel mit Menschen und Engeln, Christus wäre nicht in Not, all unsere Bedürfnisse zu stillen und uns alle auszufüllen." S.52

"Christus ist ein Brunnen des Lebens, aber wer weiß schon wie tief er ist bis zum Grund." S.52

"Macht euch vertraut mit der Liebe Christi, und ihr werdet es nicht versäumen neue Goldminen und Schätze in Christus zu finden." S.66

"Wie auch immer die Dinge laufen, es ist unsere Freude täglich neuen Boden zu gewinnen in der Liebe Christi, und jeden Tag ein neues Stück zu kaufen, und eine Eroberung nach der anderen zu machen, bis unser Herr Jesus und wir uns so nahe sind, so dass Satan nichts mehr zwischen uns treiben kann." S.61

"Mir geht es gut in jeder Lage, sowohl im Köper als auch in der Seele; aller Ruhm und alle Ehre gebührt meinem Herrn. Ich will nichts mehr als eine weitere Offenbarung der Schönheit dieses unbekannten Sohnes Gottes." S.76

"Weil ich ihm gehöre, (Gott sei Dank) kann er mich gebrauchen, wie es ihm gefällt." S.77

Kein Stift, keine Worte, kein Bild kann die Schönheit meines einen, einzigen Herrn Jesus zum Ausdruck bringen." S.88