Es wird heller in unserer Stadt

Es ist der 24.12.2016.

Ich bin am Mittag noch mit den Kindern spazieren. Es ist kalt, ungemütlich.

Als wir dann in unsere Straße abbiegen, sehen wir einen kleinen Lastwagen mit einem kleinen Kran. Auf diesem steht ein Mann und arbeitet an unseren Straßenlaternen. Seit wir hier sind (und das sind gute drei Jahre) waren diese Lampen noch nicht erleuchtet gewesen. Wie mir meine Nachbarin erzählte, sind es schon sehr viele Jahre, dass sie einfach nur dastehen, ohne ihrer Bestimmung nachzukommen.

Umso mehr freuten wir uns zu sehen, dass endlich etwas dagegen gemacht wird. Nur unsere Straße war immer dunkel, ohne Licht. Manchmal unheimlich, dort am Abend (und im Winter kann das schon um halb sechs stockdunkel sein) entlangzugehen, mit dem kleinen Handylicht.

Ja, tatsächlich wurde in unserer Straße Licht an Heiligabend. Es ist heller geworden.

Und so standen wir und unsere Nachbarfamilie mit vier Kindern dann um fünf Uhr staunend am Fenster und freuten uns einfach an dem schönen orangenen Licht der Laternen.

Ich griff dieses Bild an unserem Weihnachtsfest mit Freunden aus unserer Stadt auf.

Die Welt war dunkel. Unsere Straße war dunkel. Doch es wurde Licht!

Das aufgehende Licht kam zu uns herab, hat uns besucht, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu leiten.

Ich gebrauchte auch die Verse aus Jesaja 9:

Das Volk, das im Finstern wandelt sieht ein helles Licht und über denen, die da sitzen in Dunkelheit scheint es hell.

Die Menschen hier verstehen meistens gut, wenn man von Dunkelheit redet. Von Depression und Hoffnungslosigkeit, von Angst und Traurigkeit. Sie sind damit oft wohl vertraut.

Umso schöner, ihnen von diesem Licht, Jesus, erzählen zu dürfen. Nicht nur an Weihnachten.

Wir freuen uns aber auch an diesem ganz einfachen, praktischen Licht in unserer Straße und darüber, dass unsere Stadt rein äußerlich etwas heller geworden ist.

Und das an Heiligabend!

10 wertvolle Aspekte der albanischen Kultur

Wir leben mittlerweile seit über drei Jahren in unserer kleinen Stadt im Norden von Albanien. In unserer kleinen, konservativen, traditionellen, kleinen Welt, abgeschieden von den großen Städten, ein eigenes, auch so anderes Leben als im restlichen Albanien. Die albanische Kultur ist 

Die albanische Kultur, die mir zu Anfang fremd war, mir ein komisches Gefühl bereitet hat, teilweise Aufregung, oder Angst, oder Unsicherheit bereitet hat, all das, nein nicht alles, ist mir Vertrauter geworden, normaler, einfacher.

So manches, was zu Beginn wie ein Rätsel war, hat sich langsam aufgeschlüsselt. Dennoch, je länger ich hier lebe, desto mehr merke ich, wie anders doch die ganze Denkweise der Menschen, ihr Weltbild, ist. Wir sehen die Oberfläche, doch was darunter liegt, das kommt langsam, sehr langsam zum Vorschein.

Es ist wohl wie mit der bekannten Spitze des Eisberges. Nur ein ganz kleiner Teil des Eisberges ist zu sehen. Der viel größerer Anteil ist verborgen, nicht mit den Augen zu sehen.

Meistens sind es allerdings die Dinge, die anders, fremd, nicht so "gut" sind, die ins Auge fallen und uns beschäftigen. Oft erscheinen uns die Dinge, die anders sind ja auch als nicht so gut, einfach weil wir sie nicht gewöhnt sind.

Ich ertappe mich auch oft dabei, dass ich mehr auf die Dinge sehe, die mich stören, die mich manchmal auch nerven, die ich als seltsam empfinde. Das ist sicher normal, wenn man in einer fremden Kultur lebt.

Aber so, wie ich auch in meinem Alltag mehr den Blick auf die guten Dinge richten möchte, so will ich es auch in diesem Bereich tun. Und so möchte ich inne halten und einmal darüber nachdenken, welche Aspekte der albanischen Kultur ich hier schätzen gelernt habe. Und diese möchte ich mit euch teilen.

1. Gastfreundschaft

Ich mache hier viele Besuche. Das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit. Da viele Frauen nicht raus gehen, liegt es meistens an mir, sie zu besuchen.

Noch nie habe ich es erlebt, dass eine Frau keine Zeit hatte. Das heißt nicht, dass sie keine Arbeit hätten. Aber diese wird hinten angestellt. Jederzeit ist man bereit, Besuch zu empfangen und dafür anderes liegen zu lassen, ohne dass der Besucher es merkt. Vielleicht schätze ich es auch so sehr, weil mir das manchmal schwer fällt. (Artikel)

2. Großzügigkeit

Damit verbunden fällt mir immer wieder auf, dass dem Besucher nur das Beste gegeben wird. Auch wenn man nicht viel hat, das wenige, das man hat, wird geteilt. Das finde ich beachtlich. Manchmal möchte ich es nicht, dass mir eine arme Familie extra eine Dose Fanta kaufen geht, aber es gehört dazu, dem Gast auf jeden Fall einen Kaffee oder ein Getränk, meistens einen Saft, anzubieten. Abzulehnen wäre nicht höflich und würde die Ehre verletzen.

Schon oft habe ich bekannte in der Stadt getroffen, die gerade eingekauft haben und dann jedem meiner Kinder einen Apfel oder eine Mandarine in die Hand gedrückt haben.

3. Unkompliziert im Umgang mit "Missgeschicken"

Da ich selbst drei kleine Kinder habe, schätze ich sehr den unkompliziert Umgang mit Kindern. Wenn ich z.B. meine Nachbarin besuche, die selbst vier Kinder hat, und wir in dem kleinen Wohnzimmer sitzen und sie dann mit einem Tablett kommt, auf dem acht bis zum Rand gefüllte Gläser stehen, dann halte ich manchmal schon die Luft an. Dann wird eben dieses Tablett auf den wackeligen Tisch gestellt. Wie man sich lebhaft vorstellen kann, fällt immer wieder auch was um. Aber das macht nichts. Es wird schnell aufgewischt. Diese Ruhe und Unkompliziertheit finde ich beachtenswert.

4. Liebe zu Kindern

Am Anfang fand ich es sehr gewöhnungsbedürftig, dass fremde Menschen meinen Kindern ins Gesicht geküsst und sie in die Bäckchen gekniffen haben. Besonders Gideon hat sich lautstark gewehrt und ich habe ihn meistens geschützt, außer ich war nicht schnell genug... Diese doch sehr typische Eigenheit des albanischen Volkes ist manchmal auch ein Punkt, der mich stört. Ich habe es aber mittlerweile gelernt, damit umzugehen (und unsere Kinder auch) und ich sehe darin immer mehr einfach nur die große Liebe, die die Menschen hier für die Kinder haben. Und diese drückt sich eben auch körperlich aus. Ich habe auch schon damit begonnen, kleinen Kindern, die ich kenne, auch ein Küsschen auf die Wange zu geben oder sie (natürlich sehr vorsichtig) ins Bäckchen zu kneifen. Das ist einfach Ausdruck von Liebe, wie es die Menschen (und komischerweise auch die Kinder 🙂 hier verstehen.

5. Schöne Floskeln

Als ich begonnen habe, die albanische Sprache zu lernen, da habe ich mir zuerst eine Liste mit allen Redewendungen und Floskeln gemacht, die hier so üblich sind. Und das waren zwei DIN A4 Seiten. Das zeigt: es gibt viele. Ich weiß, Floskeln sind so eine Sache, da sie ja oft auch gedankenlos gesagt werden. Dennoch zeigen sie auch etwas vom Charakter einer Nation. Ich schätze viele dieser Floskeln.

Ein paar Beispiele:

Wenn man den Namen und das Alter seine Kinder sagt, dann wird Ihnen ein langes und glückliches Leben gewünscht oder auch der Schutz Gottes.

Wenn man etwas verschenkt oder einen Kaffee ausgibt, dann wird gesagt: Gott gebe es dir vielfältig zurück.

Wenn man etwas gut gemacht hat, z.B. eine Handarbeit, oder wenn man einen Besuch macht, oder etwas Gutes gesagt hat, dann wird entgegnet: Gesegnet/ Glücklich seien deine Hände, oder deine Füße, oder dein Mund.

6. Anteilnahme in schwierigen Zeiten

Besonders Anteil wird genommen, wenn jemand krank ist, oder einen Unfall hatte, oder wenn ein schlimmes Unglück hereingebrochen ist (wie zuletzt, als ein junger Mann wegen einem verursachten Unfall kurzerhand ins Gefängnis kam).

Es ist üblich, in solchen Zeiten viel Besuch zu bekommen. Meistens wird auch etwas Geld da gelassen, weil z.B. krank sein ganz schön teuer werden kann...).

Anteilnahme, Nachfragen, Dasein, das sind Zeichen von Respekt und Liebe.

Manchmal, wenn ich von Krankheit innerhalb meiner Familie erzählt habe, wurde ich noch viel später nach dem Ergehen dieser Person gefragt. Was ich manchmal schon fast vergessen hatte, dass war den Menschen hier noch sehr bewusst und hat sie bewegt.

Als ich selber mal sehr krank war, hab ich die Liebe und Hilfsbereitschaft von Freunden hier sehr schätzen gelernt und es hat mich auch einen Schritt näher in die Kultur gebracht.

7. Verantwortlichkeitsgefühl

Familienzugehörigkeit spielt hier eine sehr große Rolle. Seine Vorfahren kennt man bis weit zurück mit Namen. Sie werden geehrt und geschätzt. In eine Familie zu gehören bedeutet Schutz und Ansehen (wenn es eine gute Familie ist).

Ich schätze es sehr, dass wir hier in eine Familie aufgenommen wurden, weil wir im gleichen Haus wohnen. Wie oft schon durfte ich hören, dass ich wie eine Tochter bin, und wir dazugehören. Das macht mich stolz und freut mich. Es ist auch ein Verantwortungsgefühl uns "Ausländern" gegenüber. Schutz und Zugehörigkeit. Wir haben eine Familie hier, die sich im Fall auch für uns einsetzen.

8. Sauberkeit in den Häusern

Ich staune immer wieder über die große Sauberkeit in den Häusern und Gärten. Das, was man auf der Straße vermisst, das ist in den Häusern umso größer geschrieben. Es ist mir ein Phänomen, wie man mit oft kleinen Kindern so ein sauberes und ordentliches Haus halten kann. Es beeindruckt mich sehr. Die Frauen sind sehr eifrig und bemüht zu arbeiten für ein schönes Zuhause. Klar, meistens haben sie einfach auch viel weniger Dinge, die Unordnung hervorrufen können, wie z.B. Spielzeug.

9. Gemeinsames Tanzen

Auf Hochzeiten und zu anderen Festen wird zu lauter Musik viel getanzt. Der Tanz sieht ganz anders aus als unserer, aber ich finde es schön, dass im Kreis getanzt wird.

Groß und klein, Mann und Frau, jung und alt. Hand in Hand und im Gleichschritt (der manchmal aus dem Gleichgewicht kommt, wenn ich mittanze 😉 Es ist ihr Ausdruck von Lebensfreude und irgendwie finde ich es sehr verbindend. Ich fühle mich kaum mehr hier angekommen, als wenn ich solch einen Tanz, bei ohrenbetäubender Musik, am Fuße unseres großem Berges, in einem kleinen Garten, unter Sternenhimmel, mittanze.

10.Beziehungskultur

Die albanische Kultur ist eine absolute Beziehungskultur. Die Beziehung geht über alles. Klar tut das der Wirtschaft nicht immer gut, dennoch empfinde ich es auch als große Stärke. Der Mensch ist wichtiger als die Arbeit, die zu verrichten ist.

Stirbt ein entfernter Verwandte eines Freundes, ist es klar, dass ich auch auf die Beerdigung gehe. Fragt mich ein Freund zu einem Kaffee, dann wird die Arbeit ruhen gelassen und ich gehe mit. Ruft mich jemand während einer Behandlung an, wird erstmal geredet. In unseren deutschen Augen sieht manches unhöflich aus, ineffektiv, unwirtschaftlich, und es stimmt ja teilweise auch. Dennoch will ich davon auch lernen und sehen, wie ich den Mensch mehr in den Mittelpunkt stellen kann.

Mir würden noch einige andere Dinge zur albanischen Kultur einfallen, wie z.B. Ehrfurcht vor dem Alter, aber ich möchte es hierbei belassen. Jede Kultur hat seine guten und schlechten Seiten. Gott helfe mir, dass ich mich immer wieder auf die guten konzentriere.

Ein unbequemes Wort an eine bequeme Christenheit

Letzten Sonntag waren wir das zweite Mal in drei Jahren in einem Gottesdienst in Tirana. In dem Raum, in dem die Gemeinde zusammenkam, eine recht große, treffen sich insgesamt sechs Gemeinden am Wochenende. Ich war überwältigt von diesen vielen Gemeinden, die es in Tirana zu geben scheint.

Als ich dann mit den Kindern in einem kleinen sehr gut beheizten Raum saß, in dem einige Spielsachen auf dem Boden lagen, kam ich ins Gespräch mit einer anderen Mutter, die einzige, die da noch saß. Natürlich fragte sie mich, woher ich komme und ihre Verwunderung war groß, als sie hörte, wo wir leben. Sie arbeitet bei einer christlichen Organisation. Natürlich war sie noch nie in unserer Gegend hier gewesen.

Es gibt Menschen, die noch nie von Jesus gehört haben

Aber sie erzählte mir von einer Begebenheit, die schon so drei Jahre her sei. Sie traf in einem Krankenhaus in Tirana jemand aus Has (so heißt die Region, in der wir leben). Sie sprach mit dieser Person und war total erschrocken, dass diese Person noch nie von Jesus gehört hatte. Irgendwie schien das nicht in ihr Denken zu passen, dass es in Albanien noch Gegenden gibt, in denen Menschen leben, die noch nie von Jesus gehört haben.
Ich fragte sie nach dem Namen dieser Person, doch sie konnte sich nicht mehr erinnern. Nur muss sie immer an diese Begegnung denken, wenn sie Has hört.
Ja, ich konnte ihr gut bestätigen, dass wir immer wieder mit Menschen sprechen, die wie diese namenlose Person im Krankenhaus sind. Sie kommen oft aus entlegenen Dörfern, Orte, in denen noch nie, noch nie! Weihnachten gefeiert wurde. Da leben kostbare Menschen, die Jesus liebt. Aber wer ist da, um ihnen eben von ihm zu erzählen?

Der Preis ist hoch

Im Nachhinein macht es mich traurig. Es macht mich traurig, dass in Tirana so viele albanische Christen sitzen, ein Gottesdienst nach dem anderen gefeiert wird, aber anscheinend kein Drang vorhanden ist, ihr Land und die Gebiete, die noch unberührt sind vom Evangelium zu erreichen. Da sind wir - Ausländer.

Ich verstehe es auch. Im Vergleich zur Hauptstadt hat das Leben hier gar nichts zu bieten.
Keine schicken Cafés an jeder Ecke. (Cafés schon, aber die sind meistens nicht schick und auch nicht für Frauen). Keine tollen Einkaufsmöglichkeiten (nur kleine Tante Emma Läden). Die Chance, hier Arbeit zu finden ist sehr schlecht. Wir leben im Hinterland bei den Hinterwäldlern (das sagen nicht wir, das sagen die Albaner selber). Konservativ, traditionell, fanatisch (das sagen unsere Freunde von hier auch selber). Für jeden Albaner, der nicht von hier kommt, kostet es sehr viel, sehr sehr viel, hier her zu kommen.

Uns kostet es auch etwas. Im Winter empfinde ich den Preis hoch. Vor allem jetzt mit drei kleinen Kindern. Seit kurzem schlafen wir wieder alle zusammen in der kleinen Küche, das Bad ist eiskalt und alle anderen Räume auch. Das Wohnzimmer haben wir seit einem Tag nicht geheizt und nun sind die Fenster von innen gefroren. Oft beschränkt sich das Leben auf unsere kleine Küche mit drei kleinen sehr lebendigen Kindern.

Ich will nicht klagen. Aber ich will auch nicht verheimlichen, dass es hier manchmal alles andere als einfach ist. Auch ich hadere zu Zeiten mit den Umständen, mit den Zimmern, die nicht warm werden, mit einem erheblichen Mehraufwand an Arbeit im ganz alltäglichen Leben, Gläubige in Auf und Abs zu begleiten, Enttäuschungen, geistliche Finsternis überall. Auch ich stelle immer wieder die Kosten gegenüber dem, was es “bringt”.

Der Ruf zu einem unbequemen Leben

Wir haben gerade unseren Rundbrief herausgebracht und genau zu solch einem Leben und zu einem Leben, dass noch weit schwerer sein kann wie unseres, herausgefordert. Mission bedeutet nicht, an einem schönen Ort zu sitzen, an dem andere Urlaub machen. Die Gebiete, die noch unerreicht sind, sind meistens auch die Gebiete, die bisher unattraktiv waren, schwer zugänglich und gefährlich. Deshalb sind sie ja auch noch unerreicht. Albaniens Hauptstadt ist erreicht. Die vielen abgelegenen Dörfer in den Bergen nicht.

Ich mache gerade keine gute Werbung für den Arbeitsplatz hier, den wir unbedingt noch besetzen wollen, oder? Wer nimmt schon gerne willentlich Schwierigkeiten und Herausforderungen auf sich. Die kommen doch auch von ganz allein?

Heute habe ich in 2.Korinther 12 gelesen. Was Paulus da schreibt ist so völlig gegen das Konzept, das viele Christen heute leben. Was schreibt der große Apostel da?

Deshalb habe ich Wohlgefallen (Wohlgefallen?!)
an Schwachheiten,
an Misshandlungen,
an Nöten,
an Verfolgungen,
an Ängsten (ja, auch der große Paulus kannte Ängste!)
Um Christi Willen,
Denn
Wenn ich schwach bin,
Dann bin ich stark.

Nun, an welche Aussage ist dieses “deshalb” geknüpft? Das ist die große Frage und der einzige Schlüssel für solche Worte, die so gar nicht in unsere Zeit passen.
Schwachheit, körperliche Leiden, Nöte aller Art, Verfolgung (Lästerung, schlechte Nachrede etc.), Ängste - welcher Mensch hat zu welcher Zeit und unter welchen Bedingungen denn Freude daran, Wohlgefallen sogar. Wer umarmt diese Dinge, wer nimmt sie mit Dankbarkeit an?

Die Gnade Jesu genügt

Ein Vers zuvor finden wir die Antwort. Finden wir die Antwort auch für unser Leben. Finde ich den Schlüssel, den Augenöffner, finde ich für mich Worte, die alles in mir zum klingen bringen: ja! Ja, das ist die Antwort! Das ist es wert! Dahin will ich kommen!

Jesus selbst hat zu Paulus gesprochen:
Meine Gnade genügt dir! Meine Gnade genügt dir!
Denn
Meine Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung.
Sehr gerne will ich mich nun vielmehr meiner Schwachheiten rühmen,
Damit die Kraft Christi bei mir wohnt.

Damit die Kraft Christi bei mir wohnt! Seine Gnade genügt!

Ich weiß für mich, das ist der Schlüssel. Das ist es, was mich durch trägt durch so manche schwierige Zeit. Es ist nicht mein Vermögen: Ich kann das!
Ich denke an Menschen in Deutschland, die anerkennend sagen: “Dass du das kannst! Ich könnte das nicht!” Alles in mir schreit: Nein! Ich kann das auch nicht! Ich kann es nicht! Aber Er, er durch mich! Und in seiner Gnade lebe ich jeden Tag! Seine Gnade befähigt mich in meiner Schwachheit.

Ich habe immer mehr den Eindruck, dass wir Christen, wir bequemen Christen in Deutschland, gar nicht mehr wissen, was es heißt, was Paulus da schreibt. Und ich schließe mich selbst mit ein. Aber noch viel schlimmer finde ich, dass es so wenige gibt die sagen: aber ich will da nicht stehen bleiben! Ich will, ich will diese alleingenügende Gnade erleben. Ich will diese Kraft Christi in mir erleben!

Wir müssen uns auf den Weg machen

Aber das geschieht eben nur dann, wenn ich mich auf den Weg mache. Wenn ich Jesus Nachfolge mit allen Kosten. Wenn ich bereit bin, den unbequemen Weg zu gehen. Wenn ich bereit bin, mein Kreuz zu tragen, und Jesus nachzufolgen, wo immer er mich auch hinführt.
Bist du dazu bereit? Bin ich dazu bereit?

Ja, der Weg ist nicht immer leicht. Wir haben Kosten zu tragen, wenn wir Jesus nachfolgen. Aber das, was wir erleben dürfen ist so viel größer als das. Das Leiden in dieser Zeit so gering im Gegensatz zu der Herrlichkeit, die uns erwartet.

Wenn ich an die Begegnung mit dieser Frau im Kinderzimmer zurückdenke, wenn ich mir diese Person im Krankenhaus vorstelle, wie zum ersten Mal von Jesus gehört hat, wenn ich an meine Begegnungen mit Menschen hier denke, denen ich zum ersten Mal das Wunder des Evangeliums erzählen durfte, dann weiß ich, warum ich hier bin!

Es ist alles wert! ER ist alles wert!

Wo das Lügen das Normalste ist...

Wenn man sich entscheidet, in ein fremdes Land zu gehen, eine neue Sprache zu lernen, eine andere Kultur kennenzulernen, dann denkt man vielleicht zuerst an alle möglichen Dinge.
Vielleicht denkt man daran, dass die Begrüßung anders ist oder das Essen, dass die Menschen anders aussehen und sich verhalten. Man denkt daran, dass Dinge einfach anders sind. Und wir haben gelernt: anders heißt nicht schlechter.

Vor kurzem schrieb mir eine Freundin von ihren Erfahrungen im Ausland. Dabei ging es um die Pädagogik. Die ist sehr anders und es fällt schwer nicht zu sagen, sie ist schlechter. Oder vielleicht etwas freundlicher ausgedrückt: sie entspricht so ganz und gar nicht unseren Maßstäben, unserem Forschungsstand, unseren Wünschen.

Dennoch, was mich immer wieder an den Rand meiner Anpassungsfähigkeit bringt ist die Tatsache, dass Lügen so normal und akzeptiert ist. 
Lügen, so bringen wir es unseren Kinder bei, ist nicht gut. Wir lügen nicht. Das steht schon in den 10 Geboten unseres Gottes.

Doch was mache ich nun, wenn meine ältere Nachbarin ganz unverblümt ihre Enkel und meine Kinder anlügt.
"Mama, da kommt gleich eine Frau mit einer Spritze und spritzt uns..." Kommen meine Kinder ängstlich angelaufen. Sie kennen das Konzept nicht, dass Erwachsene einfach lügen. Sie glauben es und noch Tage später fragen sie mich nach dieser Frau.
Was tue ich nun. In gewisser Weise stelle ich meine Nachbarin bloß, wenn ich sage, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hat. Und das auch nicht gut ist.
Aber hier werden Kinder mit Lügen erzogen. Das ist das Normalste. Und für mich so schwer. Eine Spannung, ein immer wieder im Gespräch bleiben mit meinen Kindern.

Dann kommt Livia zu mir und erzählt, Gideon hat ein Glas kaputt gemacht. Wie sich herausstellt, war es nicht ihr Bruder, sondern sie selbst. Ganz ohne Scheu tut sie das. Ich hatte sie nicht gefragt, von sich aus lügt sie einfach, ohne schlechtes Gewissen.
Nun weiß ich auch, dass das ebenso in Deutschland passiert und Kinder nicht davor zurückschrecken, zu lügen. Ich weiß, ich weiß.

Dennoch, es macht mir zu schaffen, in einem Land der 1000 Lügen zu leben, in einer Gesellschaft, in der das, was falsch ist, einfach ganz offen und ohne Scheu getan wird, und das noch vor meinen Kindern.

Das ist nur ein kleines Beispiel. Eine der vielen Herausforderungen. Etwas, was einem nicht bewusst ist. Und gleichzeitig ein Aufruf zum Gebet, für uns und die Menschen hier, die in noch viel schlimmeren Lügen gefangen sind.

Genau da wo du bist

In dem neuen Andachtsbuch von Joni Eareckson Tada las ich folgenden Satz:

Aber Gott stellt dich da hin, wo du gerade bist, damit er Wunder tun kann, die du dir nie hättest vorstellen können."

Das sagte sie im Zusammenhang mit einer sehr bekannten Geschichte des alten Testaments: der Durchzug des Volkes Israels durchs rote Meer.
Ich las die komplette Geschichte wieder einmal, 2. Mose 14. Und einige Dinge sind mir ganz neu bewusst geworden.

Es war Gottes Befehl, dass das Volk Israel zum Meer zieht.
In menschlichen Begriffen sah das wohl aus wie ein Umher-irren.
Es macht keinen Sinn.
Es ist unerklärlich und unverständlich.
Für Menschen.

So fühle ich mich auch manchmal.
Was mache ich eigentlich hier?
Ich sitze mit meiner kleinen Familie in einem Café und in den Blicken der Männer um uns herum spiegelt sich diese Frage: was um alles in der Welt macht diese deutsche Familie hier in diesem abgelegenen Ort?

Manchmal fühle ich mich eingesperrt und begrenzt, wie das Volk.
Vorne das Meer (oder Berge, wie bei uns), hinten die feindliche Armee.

Aber in Gottes Augen macht es absolut Sinn, dass ich bin, wo ich bin.
ER hat mich gerufen.
ER hat mich berufen, an diesen Ort.
Aus menschlicher Sicht eine Einbahnstraße, ein "öder" Ort, einschränkend.
Doch Gott hat eine Absicht damit!
Seine Absicht ist seine Verherrlichung!

Gottes Ziel ist immer seine Verherrlichung,
Die in uns den Glauben und das Vertrauen stärken soll.

Als die Israeliten die Ägypter sahen, fürchteten sie sich sehr und schrien zum Herrn.
Gleichzeitig begannen sie zu murren, sich zu erhitzen, aufzuregen, zu lästern, zynisch zu werden und Vergangenes hervorzuholen.

Hier will ich stehen bleiben.
Denn genau da finde ich mich wieder.

Ich befinde mich im Moment auch öfter an dieser Grenze.
Nicht Todesangst, aber Unzufriedenheit, Zweifel an Gottes guter Führung.
Ich hadere mit meinen Umständen (Kälte, Dunkelheit, kleine Wohnung, ...).
Manchmal denke ich: Warum bist du nicht "zuhause" geblieben? Du kannst Jesus doch auch dort dienen? Warum bist du nicht wenigstens in einem "attraktiveren" Land?

Aber stop! Nicht ich habe es mir ausgesucht.
Gott hat mich, Rahel und Familie, hierher gerufen.
Es war nicht meine Wahl, es war nicht in erster Linie mein Weg.
Es war Gottes Weg und Gottes Ruf.

Und als der Trubel unter dem Volk groß wurde gegen Gott und Mose,
Da ergreift dieser mit fester Stimme das Wort
Und gibt die Verheißung weiter, die er selbst erhalten hatte:

Fürchtet euch nicht!
Steht und seht die Rettung des Herrn,
Die er euch heute bringen wird. ...
Der Herr wird für euch kämpfen,
Ihr aber werdet still sein.

Moses Stimme erklingt in meinen Ohren  und sie
vereint in sich all die Verheißungen der Schrift,
Sie sammeln sich in seiner Aussage.
Sie sprechen ebenso zu mir, heute.

Fürchte dich nicht, Rahel.
Warum? Der Herr ist auf deiner Seite, ein starker Held,
Der die Herrschaft trägt, der König, nichts ist ihm unmöglich.

Fürchte dich nicht!
Wie oft erklingt dieser "Befehl" in der Bibel.

Steht und seht!
Richtet euch auf, erhebt euren Blick,
Macht fest eure Beine, verzagt nicht!
Steht! Keine Aktion, kein Rennen, nichts wird erwartet, außer:
Seht!
Macht eure Augen auf! Wischt die Tränen weg,
Seht nicht einander an, sucht nicht Hilfe bei Menschen.
Seht auf den Herrn und auf die Rettung, die er euch
Heute
Jetzt gleich
bringt.

Unsere Feinde sind nicht irgendwelche Menschen.
Es sind die Mächte der Finsternis.
Doch auch die besiegt und entmachtet der Herr.
Er hat einen Triumphzug aus ihnen gemacht. (Kol 2,15)

Gott aber sei dank, der uns allezeit im Triumphzug umherführt in Christus
Und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Ort durch und offenbart. (2 Kor 2,14)

Ich möchte sehen, wie sich das Meer vor mir teilt,
ich will stehen und sehen,
Was Gott hier an Wunder tut, an mir, durch mich und oft auch trotz mir.

Fußball und Pilze

mushrooms-548360_640Vor einigen Tagen war ich mit meinen Kindern auf dem Fußballplatz. Wir hatten einen Ball mit, Jemima saß im Kinderwagen und ich hatte mir vorgenommen, mit den beiden großen mal richtig Ball zu spielen. Das machen wir nämlich gar nicht so oft.

Schon lief Gideon weiter von mir weg. Ich schoss ihm den Ball entgegen. Ein paar mal war er voll dabei und der Ball landete fast genau bei mir. Doch dann erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. So sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nicht mithalten. Da standen doch überall auf dem Platz Pilze herum.
Gideon war fasziniert.
Und ich war irgendwann genervt.
Warum jetzt Pilze anschauen, wenn wir doch für etwas "Wichtigeres" gekommen waren. "Deine Mama nimmt sich nun extra Zeit, um mit dir Fußball zu spielen und du siehst ständig nur diese Pilze. Und fasst sie auch noch an. Nicht anfassen, die können giftig sein! Ich habe doch gesagt, nicht anfassen..."
Und dann fängt auch noch Livia an, die Pilze zu pflücken.

Ich werde unruhig, ja, sogar etwas ungemütlich.
Es passt mir gerade gar nicht, dass meine Kinder nicht wie andere Kinder einfach nur gerne mal Ball spielen wollen.
Gideon stellt sich immer wieder taktisch in die Nähe des größten und faszinierendsten Pilzes.
Irgendwann dann gehen wir weiter.

Am Abend des Tages dachte ich nach über diese Zeit auf dem Fußballplatz.

Ich weiß nicht, ob du das kennst. Du möchtest als Mutter oder Vater, dass sich dein Kind so und so verhält, dass es die und die Interessen haben soll usw. Meistens haben wir das nur unterbewusst. Aber mir ist aufgefallen, dass ich total darauf fixiert war, mit den Kindern Ball zu spielen. Die Pilze waren meine Gegner. Sie stahlen mir die Aufmerksamkeit und ebenso dem Gideon. Es ärgerte mich. Er ist doch ein Junge und sollte nichts lieber machen, als Fußball zu spielen. So dachte ich. In dieses Schema wollte ich ihn pressen.
Und dabei wurde ich nervös und meine Stimmung wurde schlechter.

Als ich darüber nachdachte, fand ich es eigentlich schade, dass ich die Pilze keines wirklichen Blickes gewürdigt hatte. Mein einziger (vielleicht auch berechtigter) Gedanke war: ja nicht anfassen und schon gar nicht pflücken. Und jetzt lasst doch mal die Pilze Pilze sein...

Dabei vergaß ich ganz, dass meine Kinder einfach totale Entdecker sind und diese Pilze sehr faszinierend waren. Ich konnte das mit meinen Augen nicht sehen und schon gar nicht mit meinem Herzen. Es tat mir im Nachhinein leid, dass ich mich nicht hingekniet habe, und mit den beiden gemeinsam diese Wunderwerke aus Gottes Schöpfung bewundert habe. Den Ball Ball sein lassen und meinen Kindern dort begegnen, wo ihre Aufmerksamkeit gerade war. Und es ist doch eigentlich toll, dass sie solches Interesse an der Schöpfung haben.

Ich habe gelernt, dass ich meine Kinder, vor allem meinen Sohn in dem fördern will, was ihn interessiert. Und wenn es nicht Fußball ist, ist das auch ok.

Eine altbekannte Mauer in unserer Straße und was sie mich lehrte

efeuAls ich letztens die altbekannte Straße zu unserem Haus lief, da fiel mir eine Mauer auf.

Es ist eine von den vielen Mauern hier in unserer Stadt. In unserem Viertel gibt es fast nur solche Mauern. Einfache Steine übereinander. Nicht besonders hübsch. Nicht besonders teuer. Aber sie erfüllt ihren Zweck. Sie schützt vor ungewollten Blicken, vor gefürchtetem Getratsche, sie gibt einem das Gefühl: hinter diesen Mauern kann ich sein wie ich möchte.

efeu1Doch diese Mauer war anders. Schon so oft bin ich daran vorbei gelaufen, doch diesmal öffnete mir Gott den Blick für etwas Schönes.
Das Schöne in dem Alltäglichen, in dem Grauen, in dem Normalen.
Wie so oft, wenn wir es zulassen, dass Gott unseren Blick nimmt und unsere Augen nicht das Unschöne sehen, sondern hindurch blicken.

Jede Begegnung auf der Straße mit einem alten Mann,
jede kleine streunende Katze,
jeder Sonnenstrahl, der durch die Nebeldecke spitzt,
jeder freundliche Blick und Gruß,
jedes Lächeln mit einem zahnlosen Kiefer...

Jetzt erst sah ich es. Da war etwas anders an dieser Mauer. Durch die Steine hindurch wuchs Efeu. Nicht zu übersehen.
Durch die so leblose Mauer, kühl und grau, kommt Leben hindurch.
Leben!
Frisches Grün bahnt sich seinen Weg durch scheinbar nicht zu überwindende Hindernisse. Diese Pflanze ging durch den Tunnel, durch Dunkelheit und streckte sich dem Licht auf der anderen Seite entgegen.
Und wuchs unaufhörlich weiter.
Immer weiter.
Bis zum Ende des Tunnels.
Bis zum Licht.
Bis zu einem ganz neuen AusBlick.
Immer in der Hoffnung: da ist mehr. Da ist mehr Licht!

Da war nicht nur ein Efeuzweig, da waren viele. Wie durch die Macht der Hoffnung haben sie alle sich ihren Weg gebahnt und zeigen der grauen, kalten und leblosen Mauer: nichts ist unmöglich! Auch du kannst mit Leben durchdrungen werden.

Dieser Efeu ist eine Demonstration des Sieges über scheinbar unüberwindbare Hindernisse. Dieser Efeu ist das Symbol für Leben, da, wo keines erwartet wurde.

Für mich ist es eine Botschaft von Gott.
Eine Botschaft an mein manchmal kleingläubiges Herz.
Das Herz, das angesichts der vielen Mauern hier,
der Hindernisse in der geistlichen Welt,
der vielen Andersartigkeit manchmal nicht das Licht am Ende des Tunnels sieht.

Ich strecke mich aus, ich will es sehen, aber im Moment scheint es noch durch die Dunkelheit zu gehen.

Wir sehnen uns nach diesem neuen Licht,
nach dem Leben, das geistlich tote Menschen durchdringt und neu macht.
Wir sehnen uns nach einem Durchbruch,
nach einer Demonstration von Gottes großer Macht, die jeglichem Hindernis trotz.
Wir sehnen uns danach, dass hier viele hindurchdringen und das Licht des Evangeliums sehen und begreifen dürfen.

Leben, Hoffnung, Licht.
Für die Menschen hier,
die Gott uns anvertraut hat.
Denen wir die frohe Botschaft bringen.

Die Botschaft, einfach, vom Efeu, der durch die kalte, graue Mauer wächst,
Und ich IHN sehe auf meinem ganz alltäglichen Weg nach Hause.

Ach, Herr Herr, siehe du hast Himmel und Erde gemacht
Durch deine große Kraft
Und durch deinen ausgestreckten Arm,
Und es ist kein Ding vor dir unmöglich;
Der du Gnade erweist vielen Tausenden... (Jeremia 32,17-18)

9 auffällige Andersartigkeiten im albanischen Kindergarten

kindergartenDie letzte Woche war ich mit den Kindern im Kindergarten. Hier im Ort gibt es nur einen einzigen mit sieben Gruppen, nach Alter aufgeteilt. So ungefähr 160 Kinder sind angemeldet, allerdings kommen lang nicht immer alle.

Ich hatte mich nun entschieden, Gideon und Livia gemeinsam in eine Gruppe mit den dreijährigen zu geben. Die Kinder in Gideons Alter sind schon sehr viel dabei, zu schreiben und die Zeit im Kiga gleicht schon mehr einem Unterricht in der Schule. Daher hielt ich es für den besseren Weg, beide zu den jüngeren zu tun. Auch ist eines unserer Nachbarmädchen in der Gruppe, mit dem sich unsere Kinder gut verstehen.

Bisher verbracht ich die ganze Zeit gemeinsam mit den Kindern dort. Jemima konnte ich in der Zeit bei unserer lieben Nachbarin von unten lassen.

Was meine Eindrücke und Erlebnisse in dieser Zeit waren, möchte ich nun kurz erzählen. Vorher möchte ich aber noch sehr betonen, dass das, was ich hier schreibe in keinster Weise eine Beurteilung ist. Ich möchte einfach einmal zeigen, wie anders es hier doch ist.

1. Vater und Oma

Da viele Frauen oft nicht rausdürfen, sind es meistens die Väter oder eine Oma, die die Kinder bringen und auch abholen. So ist es auch bei meinen beiden Nachbarinnen. Meine Freundin gegenüber hat vier Kinder, aber sie war selbst noch nie im Kiga gewesen.

2. Telefonieren erlaubt

Gerade letzten Freitag fiel es mir besonders auf: innerhalb von einer halben Stunde telefonierte die Erzieherin bestimmt viermal. Einmal mit der Mutter, dann mit dem Mann usw. Nachdem es zum vierten Mal klingelte und die Kinder entsprechend immer wieder abgelenkt von ihren Stühlen aufstanden und sich die Erzieherin auch schon ärgerte war ich ja nahe dran zu sagen, dass sie doch das Telefon auch einfach mal ausschalten könnte. Aber das geht in dieser sehr beziehungsorientierten Gesellschaft nicht. Die Beziehung geht weit über die Arbeit.

3. Bitte schlagen Sie mein Kind

Dass Kinder hier von ihren Eltern geschlagen werden, das ist mir leider nicht neu. Das ist hier auf jeden Fall “Erziehungsmethode” Nummer eins. Dabei wird oft nicht sehr zimperlich vorgegangen. Auch in der Schule, so höre ich immer wieder, ist schlagen an der Tagesordnung.
So rief nun im Kiga ein Vater an und hielt die Erzieherin an, seine Tochter doch zu schlagen, wenn sie nicht gehorcht. Das sei sie von zuhause so gewöhnt.
Ich war froh dann zu hören, dass die Erzieherin das auf keinen Fall machen wird.

4. Bitte ganz schnell lernen!

Ganz am Anfang klagte mir die Erzieherin ihr Leid. Von seitens der Eltern komme so ein starker Druck, dass die Kinder doch ganz schnell und viel lernen sollen. Am besten schon mit drei Jahren schreiben können etc. Dabei wird auch verglichen, welche Kinder bei welcher Erzieherin besser sind.
Wenn die Kinder abgeholt werden fragen Sie die Kinder immer zuerst, was sie gelernt haben. Auch die Erzieherin erzählt fleißig, was gemacht wurde im “Unterricht”.

Im allgemeinen ist es hier wichtig, Dinge möglichst früh und schnell zu können:
Läuft dein Kind schon? Hat es schon Zähne? Was isst es? Spricht es schon? Etc.
Was das laufen anbelangt, habe ich immer betont, dass meine Kindern noch sehr viel laufen würden und ich froh bin, wenn sie noch nicht so schnell so mobil sind. 🙂

5. Sa turp!

Diesen Ausdruck hört man in einem albanischen Kindergärten sehr oft. Turp heißt eigentlich Schande und man würde vielleicht den Ausdruck “Sa turp” mit “Das macht man nicht” oder “das gehört sich nicht” übersetzen. Dabei wird den Kindern meistens nicht erklärt, warum es so ist. Es gibt einfach einige Dinge, die sind einfach turp.

6. Gedichte

Hier in unserem Land lernen die Kinder schon von klein auf viele Lieder und Gedichte. Wenn sie etwas älter sind, dann tragen Sie diese auch vor großen Menschenmengen vor. Es ist eine Stärke von Ihnen, auswendig zu lernen. Jeden Morgen wird zuerst im stehen die Nationalhymne gesungen. Nach einem kurzem Sportprogramm und Übungen zum zählen (es werden immer alle Kinder gezählt, dann Mädchen und Jungen, dann werden die Wochentage ausgesagt, die Jahreszeiten etc.). Dann setzt sich die Erzieherin hin und nimmt sich immer wieder ein Kind nach vorne, mit dem es Gedichte und Lieder aufsagt. Eines geht ungefähr so:
“Ich liebe Mama und den Papa auch, liebe meine Schwester und die Erzieherin… Doch über alles liebe ich Albanien.”
Mir fiel auf, dass der Bruder gar nicht vorkommt. Das war der Erzieherin gar nicht bewusst gewesen.

7. Vergleichen

Was mir nicht so gut gefällt ist, dass hier sehr viel verglichen wird. Die Frage, welches meiner Kinder ich am liebsten habe, oder dass Kinder gefragt werden, ob sie Mama oder Papa lieber haben, das ist hier sehr normal.
Nun werden auch Gideon und Livia verglichen. Livia fällt es leichter, sich einzufügen und an anderen Orten zu bleiben. Gideon ist da einfach ein ganz anderer Charakter. Aber es wird verglichen, das macht man einfach.

8. Kneifen erlaubt

An was man sich sehr gewöhnen muss, ist das kneifen, küssen und ständige umarmen der Kinder. Damit haben meine Kinder schon ihre Erfahrung. In der Regel mögen sie es nicht besonders, wenn ihnen Fremde einen Kuss geben wollen oder sie in die Backe kneifen, was ich auch sehr gut verstehen kann. Aber das ist einfach die Art, wie den Kindern hier liebe gezeigt wird. Ich habe es mir nun auch schon angewöhnt, kleine Kinder wenigstens ein bisschen anzufassen oder die Wange zu streicheln, weil das hier das Zeichen von Zuneigung und Liebe ist, und das möchte ich den Kindern ja auch zeigen. Insgesamt ist der Umgang hier für unser Verständnis einfach etwas rauer und “handgreiflicher”. 🙂

9. Plötzlich Elternsprecher

Gestern war ich auf der Elternversammlung. Ich fand es sehr interessant, mal an so etwas teilzunehmen, einer von ihnen zu sein, auf der gleichen “Ebene”. Genau wie Sie bin ich dort, weil ich Kinder in der Gruppe habe, nicht weil ich eine deutsche bin und irgendwas bringe. Erst gingen länger darum, ob im Winter auch genug Holz zum heizen bereitsteht (in Deutschland ist das wohl weniger ein Diskussionsgrund). Ich war bemüht, möglichst viel von der teilweise auch hitzigen Debatte mitzubekommen. Plötzlich schwenkte das Thema und es ging um den Elternsprecher. Plötzlich höre ich meinen Namen. Alle stimmen zu und ohne mich auch nur einmal zu fragen, bin ich jetzt eben der Elternsprecher. Was denn da meine Aufgaben sind, das erfragte ich im Nachhinein noch bei der Erzieherin.

Geliebtes Haiti

haiti

Wenn ich die Nachrichten lese, die Worte, die versuchen zu ergreifen, was geschehen ist, dann weint mein Herz.

Hurrikan Matthew, der genau dort wütete, wo ich vor gut 10 Jahren für neun Monate lebte. Ich lese die Namen der verwüsteten Städte und in meinem Gedächtnis kommen die Bilder, die Begegnungen, es kommen liebevolle Gefühle für ein Land, das immer wieder geschlagen wird von der Natur. Orte, an denen ich war, Menschen traf, an denen ich glücklich war, zu dem ich eine klare Berufung hatte.

Haiti ist für mich viel mehr als das ärmste Land der Welt.
Haiti ist meine erste Liebe.
Haiti hat mir eine Heimat geschenkt, ein Zuhause.
Haiti hat mich angelacht und geliebt.
Und wie ich es geliebt habe und immer noch liebe...

Die Menschen, die man auf den wackligen Bildern sehen kann, zerlumpt und schmutzig jetzt, sie sind für mich viel mehr als nur arme Menschen, die alles verloren haben.
Diese Menschen habe ich geliebt. Diesen Menschen habe ich mein Herz geschenkt, diese Menschen haben mich aufgenommen und sie haben mich erleben lassen, was Gastfreundschaft bedeutet. In ihren Augen sehe ich meine Freunde, meine geliebten Freunde, die ich so hoch schätzen gelernt habe. Menschen, die oft schon vor dem Erdbeben und dem Hurrikan in Armut lebten und doch Gott vertrauen.

Die Kinder sind für mich nicht einfach nur arme, mitleidserregende Kreaturen.
Diese Augen, die verzweifelt in die Kamera starren, Augen, die schon zu viel Leid sehen mussten, deren Leben ein Kampf ums Überleben ist.
Diese Kinder haben mein Herz gestohlen. Diese Kinder haben mir mehr gegeben, als ich je geben konnte. Jedes dieser Kinder ist so einzigartig und kostbar. Ich höre noch die Stimmen, wie sich mich schon von ferne rufen: Sè Rachelle!

Die Kinder, die ich damals kannte, sind nun schon groß. Vielleicht haben manche schon selber Kinder. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, welches meiner geliebten Kinder noch lebt, welches glücklich ist, welches unsere Einladung, mit Jesus zu leben, angenommen hat. Ich weiß so wenig. Die Jahre sind vergangen, das Leben ist unaufhaltsam weitergegangen. Ich habe viel erlebt, viel ist geschehen.
Aber eines hat sich nicht geändert: Haiti ist und bleibt meine erste Liebe!

Das Land ist geschunden, es ist verwüstet, es ist in sich zusammengefallen.
Als ich 2004 im September mit dem Flugzeug auf den Weg nach Haiti war und in Miami eine Nacht zwischen landen musste, da erreichten mich fast gleiche Bilder im Fernsehen. Damals war es der Hurrikan Jeanne. Er hatte den Norden des Landes um die vom Voodoo Kult stark beherrschte Stadt Gonaive getroffen. Ich weiß noch, dass die Gemeinden im Süden es als eine Strafe von Gott ansahen.
Doch jetzt? Jetzt ist der Teil Haitis am meisten betroffen, in dem wohl die meisten Christen leben. Unzählige Kirchengebäude sind jetzt zerstört oder stark beschädigt. Warum?

Ist Haiti ein Land ohne Hoffnung? Ein Land ohne Zukunft?

Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube zutiefst, dass Gott diese Nation nicht vergessen hat. Er kennt jeden einzelnen Menschen dort. Er kennt sie mit Namen.

Haiti ist ein Land voller Leben - so habe ich es kennengelernt.
Kein leichtes Leben, aber Leben.
Und wo Leben ist, da ist Zukunft.
Wo Jesus ist, da ist Hoffnung!
Und ich weiß, dass es in Haiti viele, viele Menschen gibt, die Jesus lieben und in denen Jesus lebt. Wunderbare Menschen!

Ich lese die Nachrichten, sehe die kurzen Videos der Zerstörung. Und mein Herz schmerzt. Mein Herz trauert. Mein Herz leidet mit diesen Menschen, mit meinem geliebten Haiti.

Ich weiß noch, als ich in Port-au-Prince ins Flugzeug stieg und Haiti verließ.
"Au revoir, mon cherie, Haiti!" Habe ich laut gesagt.
Dann erhob sich das Flugzeug und immer kleiner wurden die Häuser und die Slums, die Straßen übervölkert mit Menschen.

Betet für dieses Land! Betet für die Gemeinden! Betet für neue Hoffnung!

Was für mich in Albanien der Winter bedeutet

winterSeit einigen Tagen sind wir nun aus dem Urlaub zurück. Die Tage waren warm und schön, und umso größer war die Umstellung, als wir am Samstag in unsere kalte Wohnung zurückkamen. Das Barfußlaufen die Treppen hoch ist plötzlich nicht eine gewünschte Abkühlung. Stattdessen steigt die Kälte in die Knochen. In Deutschland würde man schon längst die Heizung betätigen, doch hier ist es für ein Heizen mit Holz noch viel zu früh!

Doch wie von heute auf morgen muss man sich umstellen: es ist Herbst. Und nach kurzer Zeit, ja, dann kommt schon wieder der Winter.

Die herausfordernden Seiten des Winters

Was das für mich an Herausforderung  bedeutet, möchte ich euch kurz erzählen:

1. Im Winter herrscht hier ein ganz anderes Leben. Die Tage sind extrem kurz (es wird eine Stunde früher dunkel, als in Deutschland). Und da man bei Dunkelheit zuhause ist, bin ich in der Regel mit den Kindern um 17 Uhr zuhause. Im Sommer beginnt um diese Uhrzeit erst richtig das Leben draußen, da es vorher zu heiß ist. Das ist eine Umstellung. Besuche, die ich machen will, muss ich früher machen und mit der Dunkelheit rechnen.

2. Wenn ich Besuche mache, sitze ich oft in einem kleinen, sehr heißem Wohnzimmer mit vielen Kindern. Das ist anstrengend, selbst wenn ich Beschäftigungsmaterial für die Kinder mitnehme. Eine Unterhaltung, die tiefer geht, kommt schwerer zustande, weil ich viel zu sehr acht geben muss auf meine Kinder und es einfach laut ist.

3. Unser Leben in der Wohnung beschränkt sich auf zwei Räume, wobei wir lange nicht immer beide heizen. Im Flur und im Bad ist es sehr kalt und im Schlafzimmer auch. Schon jetzt fehlt mir oft ein Kinderzimmer. Mit drei Kindern, die älter werden, wünsche ich es mir, aber der Winter begrenzt den ohnehin schon engen Wohnraum noch mehr.

4. Jeder der kleine Kinder hat, kennt die Wäscheberge, die da anfallen. Im Sommer macht es Spaß zu waschen, da am Abend die saubere Wäsche wieder zusammengefaltet im Schrank liegt. Im Winter kann sich das über eine Woche hinziehen, bis die Wäsche richtig trocken ist. Manchmal wandert die Wäsche an mehrere Orte, bevor sie dann endlich zusammengelegt werden kann. Im Winter werden Klamotten einfach länger getragen und nicht beim ersten Fleck in den Wäschekorb geworfen.

5. Unser Garten verwandelt sich ziemlich schnell in ein Matschfeld. Letztes Jahr haben wir kleinen Kies vor der Eingangstreppe gestreut, und das war gut so. Im Moment genießen wir noch die Pracht unseres Gartens sehr. Unsere Kinder lieben es, draußen zu sein. Im Winter dagegen bin ich fast nur spazieren, wenn ich draußen bin. Das ist auch gut, braucht aber mehr Zeit.

Die guten Seiten des Winters

Wir gehen nun schon in unseren vierten Winter in Albanien. Und ich habe durchaus auch die guten Seiten zu schätzen gelernt:

1. Der Tagesablauf ist geregelter. Die Kinder gehen in der Regel um 19 Uhr ins Bett. Auch fällt es uns in dieser Zeit leichter, regelmäßig unsere Abendandacht mit den Kids zu machen, sprich: Singen mit der Gitarre und mit Bewegung, Bibelgeschichte, beten und Segen. Darauf freue ich mich schon sehr.

2. Ich habe mehr Zeit und Muße, mit den Kindern kreative Dinge zu machen. Ich bastle und male viel mit Ihnen. Das macht mir selber Freude und fördert ihre Kreativität. Da sie keinen Kindergarten besuchen, in dem das gemacht wird, ist es umso wichtiger, das ich das mache.

3. Im Sommer war ich manchmal erst gegen halb neun mit meiner Arbeit fertig. Danach habe ich dann kaum Motivation, noch mit basteln zu beginnen (was mir sehr viel Freude macht). Da die Kids im Winter schon um 19 Uhr im Bett sind, bleibt somit auch für mich eine längere Zeit übrig, in der ich Dinge machen kann, die mir gut tun.

4. Ich habe auch sehr das heizen mit Holz lieben gelernt. Ein wärmendes Feuer zu sehen und zu spüren ist etwas schönes. Und dann bei Besuchen noch frisch gebackenes Brot zu essen lieben nicht nur meine Kinder...

5. Der Winter ist insgesamt eine ruhigere Zeit. Die Menschen hier haben weniger Arbeit und damit auch mehr Zeit, da z.B. die Arbeit im Garten wegfällt. Das gilt auch für unsere lieben Nachbarn von unten. Ich freue mich, wieder öfter mit ihnen zusammen zusitzen und zu reden.

Seit ich in Albanien bin, empfinde ich den Wechsel der Jahreszeiten nochmal viel intensiver. Wahrscheinlich weil auch die Übergangszeiten, Frühling und Herbst einfach sehr kurz ausfallen. Ich muss mich innerlich bewusst umstellen und die Veränderungen, die der Wechsel mit sich bringt bewusst bejahen und annehmen. Ich will mich nicht beklagen, ich will nicht traurig nach vorne sehen, sondern möchte mich auf die positiven Dinge konzentrieren und die neue Jahreszeit willkommen heißen, mit allem was sie mit sich bringt.

Mein Spaziergang am Meer und welcher Gedanke mir dabei kam

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Ich liebe es, am Meer entlang zulaufen.

Daher freue ich mich auch schon sehr auf die zehn Tage Urlaub in Montenegro. Für unsere albanischen Freunde hier ist Urlaub im September zwar schon fast Urlaub im Winter, aber wir genießen es, wenn es nicht mehr all zu heiß ist, und vor allem, wenn wir die Strände fast für uns haben.

Zuletzt waren wir in Holland am Strand. Der riesige Sandstrand und das herrlich blaue Meer lässt mein Herz höher schlagen, auch wenn wir nur für einen Tag dort waren.

So lief ich auch dort mal wieder am Meer entlang. Dabei musste ich immer wieder auf den Boden schauen.

DSCF0140Da gab es nicht nur hier uns da eine Muschel zu sehen, nein, da waren ganze Berge von kleinen Kostbarkeiten zu bestaunen. Irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wohin ich blicken sollte, auf den Boden mit all den schönen Muscheln oder auf mein geliebtes Meer, die Weite, den endlosen Horizont. Ich hatte innerlich direkt einen kleinen Zwiespalt. Welcher Anblick ist es mehr wert, ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken?

Auf einmal schenkte Gott mir eine Einsicht, ein Bild für mein Leben.

Es braucht beides: mein Blick soll auf das gerichtet sein, was mir vor den Füßen liegt. Da sind Kostbarkeiten, Geschenke von Gott, überall, in Hülle und Fülle (nur leider sehe ich sie viel zu selten). Gott will mich beschenken, wie mit dem Anblick dieser tollen Muscheln.

Aber auf der anderen Seite ist auch der Blick in die Weite wichtig. Meine Augen, meine Gedanken lösen von dem alltäglichen Allerlei, den Kämpfen und Problemen und den Blick heben. In die Weite schauen, in die Größe dessen, der alles geschaffen hat, für den alles, was mich bekümmert nur ein kleines ist.
Ich bin klein.
Und Ihm ist nichts unmöglich.
Es ist so wohltuend, die Weite einzuatmen.

Ich liebe den Vers aus Psalm 31:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Das wünsche ich mir immer wieder. Ich möchte von dem dichten Lebensalltag in die Weite gehen. Möchte Neuausrichtung und einfach mal tief durchatmen.
Gut, dass ich dazu nicht am Meer sein muss, sondern ich dass immer wieder in meinem Tag einbauen kann, Momente der Weite, auf Gott blicken.
Kurz durchatmen und dann weiter im Gewusel.

Aber ich will auch den Blick auf die kleinen Dinge nicht vergessen,
auf die kleinen Geschenke am Wegrand,
Kostbarkeiten, die Gott für mich bereithält, und die ich nicht übersehen will.

Ist Tod nicht gleich Tod?

todgleichtodLetzten Samstag war ein bewegender Tag für uns. Wir waren bei einer Beerdigung dabei. Nicht real, sondern per livestream.

Kurz vorher hatten wir von der Familie gehört, ein Ehepaar mit drei kleinen Kindern, etwa im Alter unserer Kinder, die auf dem Weg mit dem Auto zu der Mission waren, die sie im Oktober nach Japan aussenden sollte. Da geschah das unfassbare: ein Truck rammte das Auto so, dass alle fünf Insassen, die ganze Familie, sofort tot waren. Das geschah am Sonntag zuvor.

The Pals Family, Courtesy of World Venture_1470178884509_4445197_ver1.0Die Familie kam aus der Gemeinde von John Piper, der Bethlehem Baptist Church.
Am letzten Samstag fand dann die Beerdigung statt und es war möglich, sie im Internet Live mitzuverfolgen. Es rührte uns zutiefst, in welcher Auferstehungshoffnung jedes Wort gesprochen und jedes Lied gesungen wurde. Die Mutter der Frau ließ dem unverletzten Fahrer des Trucks sagen: "We do forgive you, Toni!" Wahnsinn!

Wir dürfen sicher wissen, dass diese lieben Geschwister nun beim Herrn sind und es Ihnen gut geht. Genau genommen war es für sie eigentlich ihr glücklichster Tag. Viele nennen diese Sache sicher eine Tragödie, ein Verlust, schrecklich. Doch eigentlich ist es Gewinn!

An eben diesem Samstag erzählte mir unsere Nachbarin, dass ein Cousin von ihr verstorben ist. Er kommt aus einem Dorf und war sehr krank und alt gewesen. Die letzten Monate konnte er nur Wasser und Joghurt zu sich nehmen. Jetzt geht es ihm besser, meinte meine Nachbarin.

Das brachte mich ins Nachdenken. Geht es ihm jetzt wirklich besser? Kann es sein, dass dieser Mann noch nie von der rettenden Botschaft gehört hat und nun für immer verloren geht? Kann es sein, dass der Tod dieses alten, kranken Mannes in Wirklichkeit viel tragischer ist, wie der Tod dieser Familie, die Jesus kannten und liebten und jetzt in der Herrlichkeit sind?

Ja, definitiv sollte uns der Tod all der Menschen, die ohne Jesus sterben, als eine große Tragödie vorkommen. Es ist eine Tragödie! So sehr ich auch geweint habe, als ich von dem plötzlichen Tod dieser Familie gehört habe, noch mehr weint mein Herz über die vielen Menschen hier und überall auf der Welt, die ohne Jesus von dieser Welt gehen.